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0103 | 7. MÄRZ 2023    TEXT: LILLI BAUER & WERNER T. BAUER

Besondere Maßnahmen...


Am 7. März 1933 wird durch die Verordnung Nr. 41 der Bundesregierungdie Zensur in Österreich wieder eingeführt.

Im Staatsgrundgesetz von 1867 war festgehalten worden, dass jeder das Recht habe, durch Wort, Schrift, Druck oder durch bildliche Darstellung seine Meinung innerhalb der gesetzlichen Schranken frei zu äußern. Auch die Presse solle nicht unter Censur gestellt werden. Ab 1870 standen die Zeitungen und Zeitschriften der Arbeiterbewegung aus politischen Gründen dennoch unter Vorzensur, während des Ersten Weltkriegs sogar unter der Kuratel des Kriegsüberwachungsamtes. 

Am 30. Oktober 1918 beschloss die Nationalversammlung, dass jede Zensur […] als dem Grundrecht der Staatsbürger widersprechend als rechtsungültig aufgehoben sei. Die volle Freiheit der Presse ist hergestellt. Die Wiedereinführung der Zensur im März 1933 bedeutet demnach nichts Geringeres als eine Abkehr von demokratischen Grundprinzipien und ist ein entscheidender Schritt zur Errichtung einer diktatorischen Herrschaft.

De facto eine Vorzensur

Mithilfe einer Notverordnung aus dem Ersten Weltkrieg, dem Kriegs­wirtschaftlichen Ermächtigungs­gesetz aus dem Jahr 1917, wird also am 7. März 1933, nur wenige Tage nach der sogenannten Selbst­ausschaltung des Nationalrates am 4. März, angeordnet, daß besondere Maßnahmen zur Hintanhaltung der mit einer Störung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit verbundenen Schädigungen des wirtschaftlichen Lebens ergriffen werden sollen. Unter anderem können bestimmte Zeitungen verpflichtet werden, ihre Pflichtstücke zwei Stunden vor Beginn der Verbreitung bei der Behörde abzuliefern.

Diese schikanöse Maßnahme ist de facto eine Vorzensur und soll der pressepolizeilichen, staats­anwaltlichen und gerichtlichen Prüfung dienen, um gegebenenfalls eine Beschlag­nahme zu erleichtern. Als maßgebende Gründe werden die Verletzung des vaterländischen, religiösen oder sittlichen Empfindens und die damit einhergehende Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit angeführt.

Um in dieser aufgeregten Zeit die Ruhe und Ordnung zu sichern, hat die Bundesregierung bis auf weiteres alle Aufmärsche und Versammlungen verboten und durch eine Verordnung auf Grund des Kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes zum Pressegesetz die Möglichkeit geschaffen, staats- und volksschädliche Mißbräuche der Pressefreiheit sowie Verstöße gegen die öffentliche Sittlichkeit zu verhindern und zu bestrafen.

Tags darauf veröffentlicht die amtliche Wiener Zeitung nicht nur diese Verordnung, sondern auch die Verlautbarung „An Österreichs Volk!". Darin ist von einer schweren Krise des Parlaments die Rede, und davon, dass die gesetzmäßige Regierung von der Parlamentskrise, die ohne ihr Zutun heraufbeschworen wurde, nicht berührt sei und es daher keine Staatskrise gebe.

„Unter verschärfter Vorlagepflicht“

Dies ist nur eine von nicht weniger als 15 Notverordnungen, die zwischen März 1933 und Januar 1934 erlassen werden und die nicht nur die Presse- und Versammlungs­freiheit drastisch einschränken, sondern zum Beispiel auch dem Wiener Finanzressort mehr als 100 Millionen Schilling entziehen.

Auf die Arbeiter-Zeitung wird die Vorzensur ab dem 24. März 1933 angewandt, bald darauf auch auf Das Kleine Blatt. Die Arbeiter-Zeitung erscheint ab dem 26. März mit dem Hinweis „Unter Vorzensur“ am Kopf des Titelblattes. Am 3. Juli übermittelt die Polizei der Redaktion einen Bescheid, wonach es künftig verboten sei, weiterhin am Kopf des Blattes die Worte „Unter Vorzensur“ erscheinen zu lassen. Schon ab der folgenden Ausgabe heißt es deshalb „Unter verschärfter Vorlagepflicht“. Das Blatt weist nun immer öfter große weiße Felder auf.

Am Ende nur noch wöchentlich

Noch schlimmer trifft die Arbeiter-Zeitung das Kolportageverbot vom 9. Oktober, das den Verkauf auf der Straße und in den Trafiken untersagt. Erlaubt ist ab sofort nur noch der Postversand an Abonnentinnen und Abonnenten.

Gleichzeitig wächst der Unmut der Leserschaft, nicht nur gegen die Regierung, sondern auch gegen die eigene offenbar hilf- und  wehrlose Führung, die es verabsäumt hat, die ihr zu Gebote stehenden Kampf­mittel rechtzeitig einzusetzen. 

Unmittelbar mit Beginn der Februarkämpfe am 12. Februar 1934 wird der Sitz des sozial­demokratischen Verlags- und Druckereigebäudes im Vorwärts­haus von der Heimwehr besetzt.

Die nunmehr illegale Arbeiter-Zeitung erscheint ab dem 25. Februar im Exil im mährischen Brünn, beginnend mit Nr. 1, 1. Jahrgang, nahezu im Alleingang geschrieben von Otto Bauer.  Der Zusatz lautet „Erscheint wöchentlich“.

PRESSE UND PROLETARIAT

Sozialdemokratische Zeitungen im Roten Wien

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