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Aktuelle Seite: „Das Denkmal einer Gesinnung“
0030 | 1. AUGUST 2021    TEXT: LILLI BAUER & WERNER T. BAUER

„Das Denkmal einer Gesinnung“

Und die Schutzkompanie „Matteotti“ in strammer Haltung

Im Anschluss an die Arbeiter-Olympiade findet vom 25. Juli bis zum 1. August 1931 im Wiener Konzerthaus der 4. Kongress der Sozialistischen Arbeiter-Internationale (SAI) unter dem Vorsitz des Führers der belgischen Arbeiterpartei Émile Vandervelde statt. Insgesamt nehmen an diesem Treffen an die 1.000 Delegierte aus 34 Ländern teil. Hauptthema ist der Kampf gegen den Faschismus. Es gehe, so Vandervelde, um Sein oder Nicht­sein der deutschen Demokratie.

Am letzten Kongresstag, dem 1. August, wird im Margaretner Matteottihof eine Gedenktafel für den Generalsekretär der Sozialistischen Partei Italiens Giacomo Matteotti enthüllt, der am 10. Juni 1924 in Rom von Mitgliedern eines faschistischen Kampfbundes entführt und ermordet worden war.

Ein sichtbares Zeichen der internationalen Solidarität


Die in den Jahren 1926/27 nach Plänen von Heinrich Schmid und Hermann Aichinger errichtete Wohnhausanlage war bereits im Juni 1928 als Zeichen der internationalen Solidarität im Kampf gegen den Faschismus nach dem italienischen Genossen benannt worden.

Einen Bau, der 320 Arbeiterfamilien Unterkunft bietet, ihnen ein Heim gewährt voll Luft, Licht und Sonne, wo Männer und Frauen der Arbeit sich daheim fühlen können, Menschen sein dürfen, nicht länger das zusammen­gepferchte Vieh der Mietskaserne, wie sie der Wohnungswucher baute – diese Schöpfung hat man auf den Namen Matteottis getauft, schreibt die Arbeiter-Zeitung.

Matteottis Mörder waren im März 1926 großteils freigesprochen, drei der Haupttäter zu je fünf Jahren Gefängnis verurteilt, aber bereits nach zwei Monaten von König Viktor Emanuel III. begnadigt worden.

Drei Stühle sind leer geblieben.

Zur Enthüllung der Gedenktafel am 1. August 1931 erscheinen die Delegierten der Internationale, allen voran Friedrich Adler, Robert Danneberg, Émile Vandervelde und vollzählig die italienische Delegation, darunter Parteiführer Filippo Turati sowie der Anwalt und Abgeordnete Giuseppe Emanuele Modigliani, ein Bruder des berühmten Malers. Beide leben zu diesem Zeitpunkt bereits im Pariser Exil. Drei Stühle bleiben leer, die der Witwe Matteottis und seiner beiden Waisen, die heute nicht hier sein können.

In seiner emotionalen Rede betont Vandervelde, die Gewalt der Reaktion habe Jaurès getötet, Rosa Luxemburg, Liebknecht, Matteotti, aber den Sozialismus kann sie nicht töten!

Abends findet im großen Hof der Wohnhausanlage eine Gedenkfeier statt, bei der die Matteotti-Kompanie des Republikanischen Schutzbundes Margareten angelobt wird: Das Haus als Zuflucht, die streitbare Mannschaft als Wehr sind dem Manne geweiht, der für die Sache des Sozialismus gestorben ist.

Die Rote Katze

Die bronzene Gedenktafel ist eine Arbeit des Bildhauers Siegfried Charoux, der als politischer Karikaturist unter dem Pseudonym Chat roux („Rote Katze“) arbeitet und sich ab 1926 Charoux nennt.

Von Charoux stammt auch das „Fries der Arbeit“ am Zürcher Hof in Favoriten. Sein Lessing-Denkmal am Wiener Judenplatz wird 1939 abgetragen und zerstört, die Matteotti-Tafel wird bereits 1934 entfernt. Die Austrofaschisten werden die Wohnhausanlage nach einen „Märtyrer“ des italienischen Faschismus in „Giordanihof“ umbenennen – eine der vielen Demutsgesten Dollfuß' gegenüber dem „Duce“. Das heute an derselben Stelle befindliche Bronzereliefbild Matteottis ist eine Neuschaffung der österreichischen Bildhauerin Luise Wolf aus dem Jahr 1966.

Der künstlerische Nachlass von Siegfried Charoux befindet sich, gemeinsam mit etwa 250 Exponaten, im Langenzersdorf Museum.

2. ARBEITER-OLYMPIADE IN WIEN

Sonderausstellung im Waschsalon

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