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Aktuelle Seite: „Der große Vertrauensmann“
0092 | 12. DEZEMBER 2022    TEXT: LILLI BAUER & WERNER T. BAUER

„Der große Vertrauensmann“

Witz und Esprit sind Robert Danneberg offenbar in die Wiege gelegt worden, schließlich ist sein aus Budapest stammender Vater Jakob nicht nur Besitzer eines Annoncenbüros, sondern ab 1892 auch Herausgeber des schlüpfrigen Witz­blattes „Pschütt! Carikaturen“, von dem Karl Kraus meint, es sei die kolorierte Pestbeule der Wiener Journalistik

Der 1885 geborene Robert Danneberg studiert Rechts­wissenschaften an der Universität Wien, tritt 1903 dem Verband jugendlicher Arbeiter bei, promoviert 1908, wird Mitarbeiter des sozialdemokratischen Reichsratsabgeordneten Leopold Winarsky und Redakteur des Jugendorgans der Partei, Der Jugendliche Arbeiter.

Bildungs- und Erziehungsarbeit ist eine Hauptaufgabe der Partei. Durch sie machen wir aus Anhängern, die nur das Gefühl zu uns drängt, denkende, klassenbewußte Mitkämpfer.Robert Danneberg, „Der Vertrauensmann“

1908 avanciert er zum General­sekretär der im Jahr zuvor in Stuttgart gegründeten Sozia­listischen Jugendinternationale und macht mit pointierten Beiträgen in der von ihm herausgegebenen theoretischen Zeitschrift Bildungs­arbeit auf sich aufmerksam. In den Jahren vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs konzentriert er sich als Sekretär der sozialdemokratischen Zentralstelle für das Bildungswesen ganz auf die Bildungs- und Jugendarbeit der Partei.

Der „Typus Danneberg“

Von der anfänglichen Kriegs­begeisterung der deutschen und der österreichischen Sozialdemokratie lässt sich der dem linken Flügel der Partei zugehörige Robert Danneberg nicht anstecken. An seine Bürotür hängt er ein Schild mit der Aufschrift Wegen des Weltkrieges bleibt das Büro vorübergehend geschlossen. Er gerät damit in Konflikt mit Teilen der Parteileitung, antisemitische Anfeindungen inklusive. Engelbert Pernerstorfer etwa prägt den verräterischen Begriff vom „Typus Danneberg“.

Mit dem Ende des Krieges beginnt Dannebergs Aufstieg innerhalb der Partei. 1919 verfasst er „Das sozialdemokratische Programm“, das eine der wichtigsten Grundlagen der sozialdemokratischen Bildungsarbeit in der Ersten Republik darstellt. Darin heißt es: Das Proletariat zu organisieren, es mit dem Bewußtsein seiner Lage und seiner Aufgabe zu erfüllen, es geistig und physisch kampffähig zu machen und zu erhalten, ist das eigentliche Programm der sozialdemokratischen Arbeiterpartei in Österreich.

Mastermind des Roten Wien

Er ist der Vertreter der Partei in allen wichtigen, allen schwierigen, allen heiklen Dingen.Aus seinem Nachruf

Der Verfassungs- und Verwaltungs­experte ist einer der maßgeblichen Verhandler der neuen Bundesverfassung und, als Wien 1920 zum Bundesland erhoben wird, Mitautor der Wiener Stadtverfassung. Er schreibt das Dienstrecht für die Mitarbeiter der Stadtverwaltung und der städtischen Betriebe, gehört ab 1919 dem Wiener Gemeinderat, als dessen allererster Landtags­präsident er von 1920 bis 1932 fungiert, und von 1920 bis 1934 dem Nationalrat an.

Gemeinsam mit Finanzstadtrat Hugo Breitner konzipiert Robert Danneberg das neue Steuer­system, das die Aufbauarbeit des Roten Wien überhaupt erst möglich macht, u.a. die Wohnbausteuer, aus deren Erträgen das Wohnbau­programm finanziert wird.

In der Broschüre „Die sozialdemokratische Gemeinde-Verwaltung in Wien“, die 1929 unter dem Titel „Zehn Jahre neues Wien“ neu aufgelegt und in mehrere Fremdsprachen übersetzt wird, fasst er die Leistungen der Wiener Gemeindeverwaltung in den ersten zehn Jahren ihres Bestehens knapp und bündig zusammen. Schließlich sollen auch andere vom Roten Wien lernen.

1932 übernimmt Robert Danneberg das Amt des gesundheitlich angeschlagenen und amtsmüden Finanzstadtrats Hugo Breitner. In dieser Funktion muss er die von der konservativen Regierung erzwungene Einstellung des kommunalen Wohnungsbaus mit vollziehen.

Inkarnation des Feindes

Nach Ausbruch der Kämpfe am 12. Februar 1934 wird Robert Danneberg für insgesamt acht Monate inhaftiert. Seine Freilassung ist mit strengen Auflagen verbunden. Er darf nicht mehr telefonieren und hat sich regelmäßig bei der Polizei zu melden. Das hindert ihn allerdings nicht daran, sich mit den Führern der illegalen Revolutionären Sozialisten zu treffen. Im März 1938 tritt er dennoch für ein Zusammengehen mit der Regierung Schuschnigg und eine breite anti-nationalsozialistische Allianz ein.

Wenig später missglückt Dannebergs Versuch, in die benachbarte Tschechoslowakei auszureisen – obwohl ein von Otto Bauer beim tschechischen Innenminister erwirktes Visum bereit gelegen wäre. Zurück in Wien wird Danneberg, der für die Nationalsozialisten die Inkarnation des „jüdisch-marxistischen Arbeiterverhetzers“ darstellt, umgehend von der Gestapo verhaftet. Gefoltert und gedemütigt findet sich sein Konterfei in der SS-Zeitung „Das Schwarze Korps“.

Am 1. April 1938 wird Danneberg mit dem sogenannten Prominententransport, dem neben vielen anderen auch der junge Franz Olah, der Schutzbund-Kommandant Alexander Eifler, der Bildungsreferent der Arbeiterkammer Viktor Matejka, der Soziologe Paul Neurath oder die späteren ÖVP-Bundeskanzler Leopold Figl und Alfons Gorbach angehören, in das KZ Dachau gebracht. Ende September erfolgt die Überstellung in das KZ Buchenwald.

Er, der Mann mit der Hand am Hebel, war nicht einfach ein Techniker der Politik; er war Seele und Geist einer großen Bewegung, er war einer der großen Künstler der österreichischen Demokratie und einer der Bildner des sozialistischen Wien.Oscar Pollak

Nicht einen Augenblick verlor er die Fassung. In Lumpen gekleidet, mit einem Bettelsack auf dem Rücken, wie ein Zugtier vor einen Lastwagen gespannt, zu niedrigster, demütigendster Arbeit verurteilt, blieb er doch jeder Zoll ein großer Mann, berichtet sein Leidensgenosse Jacques Hannak 1947.

Nach den Beschlüssen der Wannseekonferenz wird Robert Danneberg im Oktober 1942 nach Auschwitz deportiert und dort am 12. Dezember ermordet.Die „London-Information“ der österreichischen Sozialisten schreibt in ihrem Nachruf: Wenn sie den blutverschmierten Lappen mit dem Hakenkreuz herunterreißen und wieder die rote Fahne der sozialistischen Hoffnung über den Hügeln an der Donau und den Häusers Wiens hissen, […] dann wird der Tod unserer Märtyrer gerächt und ihr Vermächtnis erfüllt sein. Aus ihrem Blut wird neues Leben erwachsen.

Dannebergs Frau Gertrude emigriert 1938 mit den beiden Kindern nach England und ist dort für den Austrian Labour Club, später in die britische Labour Party tätig. Sie stirbt 1969 in London.
1950 wird am linken Arkadengang der Feuerhalle Simmering ein gemeinsames Urnendenkmal für Robert Danneberg, Hugo Breitner und Julius Tandler errichtet – Dannebergs Urne bleibt leer.
Der Platz nahe seiner früheren Wohnadresse in der Landstraßer Reisnerstraße wird 1949 Dannebergplatz benannt.

Literatur
Leon Kane (1980): Robert Danneberg. Ein pragmatischer Idealist; Roland Pacher (2014): Robert Danneberg. Eine politische Biografie.

Werke (Auswahl)
Das sozialdemokratische Programm. Eine gemeinverständliche Erläuterung seiner Grundsätze, 1910; Der Vertrauensmann. Winke für alle, die in der Arbeiterbewegung wirken, 1921;  Der neue Mieterschutz. Das Mietengesetz vom 7. Dezember 1922, 1923; Die sozialdemokratische Gemeindeverwaltung in Wien, 1926; Das neue Wien, 1930.

Nachruf auf Robert Danneberg in der London Information der Österreichischen Sozialisten in England

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