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Aktuelle Seite: Der rote Kaiser
0108 | 24. APRIL 2023    TEXT: LILLI BAUER & WERNER T. BAUER

Der rote Kaiser

Am 24. April 1873 wird Theodor Körner, der spätere Bürgermeister von Wien und der erste direkt vom Volk gewählte Bundes­präsident, in Újszőny bei Komorn / Komárom im heutigen Ungarn geboren.

Körners Familie stammt aus Böhmen, sein Vater, ein k.u.k. Offizier, ist zur Zeit seiner Geburt in Komorn stationiert. Der junge Körner folgt der Familientradition, besucht die Technische Militär­akademie in der Wiener Stifts­kaserne, wird für den Pionierdienst ausgebildet und kann sich als junger Leutnant für die k.u.k. Kriegsschule, die höchste militärische Bildungs­einrichtung zur Ausbildung von General­­stabsoffizieren, qualifizieren.

Rasche Karriere

1900 wird Körners Vater mit dem Adelsprädikat „Edler von Siegringen“ in den erblichen Adels­stand erhoben. Theodor Körner selbst macht von dieser Nobilitierung allerdings kaum Gebrauch. Zum Hauptmann im Generalstabskorps aufgerückt, ist er für die Modernisierung des Telegrafen- und Telefonwesens der Armee verantwortlich und steigt 1910 zum Major auf. Vor Ausbruch des Weltkriegs ist er als Lehrer an der k.u.k. Kriegsschule in Wien tätig.

Nach dem Kriegseintritt Italiens wird der mittlerweile zum Oberst avancierte Körner zum General­stabschef des XV. Armeekorps ernannt, das einen Gefechtsstreifen in den Julischen Alpen im heutigen Slowenien zu verteidigen hat. Ende 1917 wird er infolge seiner Verdienste in den Isonzo-Schlachten zum Generalstabschef aller Streitkräfte an der Isonzo­front ernannt. Die militärischen Erfolge ändern jedoch nichts mehr an der endgültigen Niederlage der Mittelmächte.

Im Dienst der Republik

Der Oberst Körner ist nämlich nicht ein beliebiger Generalstabsoffizier von durchschnittlicher Physiognomie, sondern weithin bekannt als eine Ausnahmeerscheinung, der niemand die Achtung zu versagen vermochte.Arbeiter-Zeitung, 7.5.1919

Nach Kriegsende übersiedelt Körner in das neu geschaffene Staatsamt für Heereswesen, dem heutigen Landesverteidigungsministerium, und engagiert sich für die Verteilung der in großen Mengen in den Depots der ehemaligen k.u.k. Armee lagernden Lebensmittel an die not­leidende Bevölkerung.

Beim Aufbau eines neuen republikanischen Bundesheeres ist Körner mit der Aufgabe betraut, jene 1.500 Offiziere auszuwählen, die gemäß des Vertrags von St. Germain  im Berufsheer dienen dürfen.

Als Heeresinspekteur fällt Theodor Körner 1923 ein vernichtendes Urteil über das neue Bundes­heer: […] was dann zurückbleibt und Bundesheer heißt, ist ein sich für Paraden und Ausrückungen vorbereitender Verein, der in der Tradition der Vergangenheit lebt, sich Luftschlössern hingibt und die Öffentlichkeit über die traurige Wirklichkeit hinwegtäuscht.

Die ständigen Konflikte und Meinungsverschiedenheiten mit den christlich-sozialen Ministern, besonders mit Carl Vaugoin, der ihm vorwirft,  den sozialdemokratischen Einfluss im Bundesheer stärken zu wollen, führen 1924 schließlich zu Körners Pensionierung im Rang eines Generals.

Der Strategieexperte

Theodor Körner tritt noch im selben Jahr der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei SDAP bei. Er wird Vertreter Wiens im Bundesrat, dessen Vorsitzender er noch im Februar 1934 ist, und Mitglied der Zentralleitung des neuge­gründeten Republikanischen Schutzbundes, der para­militärischen Wehrorganisation der SDAP. Hier gerät er allerdings bald mit anderen Führungs­mitgliedern, v.a. mit Julius Deutsch und Alexander Eifler, in Konflikt.

Wer über revolutionäre Gewalt spricht, so der Militär- und Strategieexperte Körner, müsse sich zunächst militärisches Wissen aneignen. Eindringlich warnt er die Genossen vor einer direkten Konfrontation mit dem Bundesheer, die nur in einer Katastrophe münden könne.

Der Schutzbund wäre nur in enger Abstimmung mit der gesamten Arbeiterbewegung in der Lage, erfolgreich zu agieren. Für den Ernstfall schwebt Körner deshalb eine Guerillastrategie vor, die auch die Bevölkerung einbeziehen müsse. Die Schutzbundführung hält von solchen Theorien wenig. Ins Abseits gedrängt legt Körner 1930 seine Funktion im Schutzbund zurück.

In der inneren Emigration

Bei Ausbruch des Bürgerkriegs am 12. Februar 1934 wird auch Theodor Körner, der seinen Genossen dringend von einem gewaltsamen Widerstand gegen die austro­faschistische Diktatur abgeraten hatte, verhaftet und verbringt insgesamt elf Monate ohne Prozess in Haft.

Unter strengen Auflagen entlassen, verbringt er seine Zeit als Privat­mann im Kriegsarchiv. Mit seinen Studien über den preußischen Militärwissenschaftler Carl von Clausewitz bemüht er sich nach 1938 vergeblich, der deutschen Führung die Erfolglosigkeit eines Angriffs auf die Sowjetunion deutlich zu machen. Nach dem missglückten Attentat auf Hitler im August 1944 wird Theodor Körner vorübergehend festgenommen.

Bürgermeister von Wien

Am 17. April 1945, vier Tage nach der Eroberung Wiens durch die Rote Armee, nominieren die Sozial­demokraten Theodor Körner als provisorischen Bürgermeister von Wien. Die offizielle Legitimation erfolgt bei der Gemeinderatswahl vom 25. November 1945, die der SPÖ die absolute Mehrheit bringt. Dass Körner auch Russisch spricht, erleichtert die Verhandlungen mit der sowjetischen Besatzungsmacht. Besondere Verdienste erwirbt er bei der Versorgung der Stadt mit lebensnotwendigen Gütern und der Rückholung der österreichischen Kriegsgefangenen.

Bundespräsident wider Willen

Als Bundespräsident Karl Renner Ende 1950 verstirbt, wird Theodor Körner am 27. Mai 1951 als dessen Nachfolger gewählt. Angestrebt hatte er dieses Amt nicht. Als Staatsoberhaupt verhindert er 1953 den von Teilen der ÖVP gewünschten Eintritt des VdU in eine Konzentrationsregierung. Höhepunkt seiner Amtszeit ist zweifellos der Abschluss des Staatsvertrages im Jahr 1955.

Theodor Körner, der bereits im Sommer 1956 einen Schlaganfall erleidet, stirbt am 4. Januar 1957 und wird am 10. Januar in der Gruft der österreichischen Bundes­präsidenten auf dem Wiener Zentralfriedhof bestattet.

Die in den Jahren 1951 bis 1955 auf dem ehemaligen Heu-, Stroh- und Pferdemarkt in der Grünwaldgasse 2-6 im 5. Bezirk errichtete städtische Wohnanlage wird nach dem früheren Bundespräsidenten Theodor-Körner-Hof benannt. Die Anlage umfasst neun Baugruppen, darunter ein zwanzig­stöckiges Wohnhaus, und stellt mit insgesamt 1.356 Wohnungen das größte Wohnbauprojekt Margaretens dar.

Ebenfalls nach Theodor Körner wird 1967 das Kommandogebäude General Körner in der Hütteldorfer Straße 126 benannt. In dieser 1898 als Infanterie-Kadetten-Schule errichteten Anlage befindet sich seit 1963 der Sitz des Militärkommandos Wien.

Literatur
Eric C. Kollman: Theodor Körner. Militär und Politik, 1973; Andreas Pittler: Theodor Körner, 2011; Cherica Schreyer-Hartmann: Theodor Körner. Der rote Kaiser und die Nachtigallen – Mythos und Wahrheit, 2009.

DIE „SOLDATEN­SPIELEREIEN DES SCHUTZBUNDES“

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