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Aktuelle Seite: Die roten Samariter
0066 | 12. MAI 2022    TEXT: LILLI BAUER & WERNER T. BAUER

Die roten Samariter

Der 1924 gegründete „Arbeiterbund für Sport und Körperkultur in Österreich“ (ASKÖ) führt bei den großen Sportveranstaltungen der Arbeiterbewegung auch einen Sanitätsdienst durch. Diese Sanitäter bezeichnen sich selbst als Arbeiter-Samariter; ihr offizielles Abzeichen ist ein weißes Kreuz auf rotem Feld, mit den Buchstaben A und S im waagrechten Balken.

Bemerkenswert ist, dass die der Religion im Allgemeinen eher distanziert gegenüberstehende Arbeiterbewegung mit der Namensgebung das neu­testamentarische Bild vom „barmherzigen Samariter“ aufgreift, in dem ein Schwerverletzter, der achtlos auf der Straße liegen gelassen worden war, Hilfe von einem Mann aus Samaria, einem „Samaritaner“, erhält.

„Ein Korps von Männern“

Der „Ausschuss Arbeiter-Samariterdienst“ wird schließlich am 12. Mai 1927 offiziell gegründet. Seine Hauptaufgabe liegt in der Erstversorgung von Verletzten bei Sport- und Freizeitunfällen. Die Zeitschrift des Arbeiter-Radfahrer­bundes, der Arbeiter-Radfahrer, berichtet, dass ein solcher Arbeitersamariterdienst in Deutschland bereits seit 1883 bestehe und immer wieder beweise, wie segensreich es für die Arbeiterbewegung ist, wenn sie über ein Korps von Männern verfügt, die mit allen Aufgaben des Rettungsdienstes bei Unfällen und anderen Gelegenheiten vertraut sind.

Den freiwilligen Helfern sollen Ärzte als „fachliche Berater“ zur Seite stehen. Außer diesen praktischen Arbeiten wird der Samariterdienst aber auch dafür zu sorgen haben, daß alle Bestimmungen und Einrichtungen, die die Gesundheit der Arbeiter schützen, genügend beachtet und zum Wohle der Arbeiter verwendet werden.

Bereits im Jahr darauf werden eine sportärztliche Ambulanz eingerichtet und die Sparten Wasser-, Berg-, Betriebs- und Feuerrettungsdienst gegründet.

Der ASB unterstützt fortan die Sozialdemokratische Arbeiterpartei bei allen größeren Veranstaltungen, etwa im Rahmen der 2. Arbeiter-Olympiade, und arbeitet dabei eng mit dem Republikanischen Schutzbund zusammen. An den regelmäßig stattfindenden Übungen, wie beispielsweise 1928 in Lainz, nehmen bis zu 600 Arbeitersamariter und 70 Spitalsärzte teil.

Wenn die letzten Skiläufer den Wiener Wald verlassen haben, packen auch die Arbeitersamariter ihre Erste-Hilfe-Kasten, ihr Verbandmaterial, Schienen, Medikamente, Bahnen zusammen…Der Kuckuck, 5.3.1933

Diese Mannschaftsstärke wird auch gebraucht, etwa an schönen Winterwochenenden, wo die Arbeitersamariter auf den „Skiwiesen“ des Wienerwaldes unterwegs sind und jeden Sonntag „durchschnittlich siebzig bis achtzig Sportverletzte“ zu bergen haben.

Mit Tragebahren zur Urne

Im Dienst an der Partei ist der ASB auch an Wahltagen im Einsatz. Am 26. April 1927 meldet die Arbeiter-Zeitung: Insbesondere am Wahltag leisteten die Arbeitersamariter in unermüdlicher Weise allerorts Schlepperdienste. Kranke [...] wurden in allen Bezirken in reicher Anzahl von den Arbeitersamaritern mit Tragbahren zur Urne gebracht.

1932 konstituiert sich der „Arbeiter-Samariter-Bund Österreichs“ als eigenständiger Verein und Dachorganisation aller Arbeiter-Samariter. Ein Hintergedanke dabei ist zweifellos, die politische Punzierung abzulegen und den Rettungsdienst in größerem Maßstab anbieten zu können.

Dazu sollte es allerdings aufgrund der politischen Ereignisse nicht mehr kommen. 1934 wird der ASB, der zu diesem Zeitpunkt noch etwa 50.000 Mitglieder zählt, verboten – so wie alle der Sozialdemokratie nahestehenden Organisationen.

Die Arbeiter-Samariter werden im März 1947 wiederbegründet. Bei dieser Gelegenheit beschließt der Bundesvorstand das bis heute verwendete Emblem, ein weißes Kreuz auf rotem Grund mit einem rotem S in der Kreuzmitte.
Heute ist der ASBÖ eine moderne Organisation, die jährlich mehr als 100.000 Krankentransporte und 15.000 Notarzt­fahrten durchführt, große Veranstaltungen betreut, einen Wasserrettungs- und Wintersportunfalldienst betreibt, an Sozial- und Umweltaktionen mitwirkt, Alte und Beeinträchtigte betreut und zahlreiche Kurse abhält – von Erste-Hilfe- über Rettungsschwimmer- bis hin zu Sanitätsdienst-Kursen.
Literatur Paul Meihsl, Von der Selbsthilfe zur Einsatzorganisation, 1992; Thomas J.J. Wallnig, Die Herausforderung Helfen. 80 Jahre Arbeiter-Samariter-Bund Österreichs, 2007.
LinkArbeiter-Samariter-Bund Wien

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