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Jacques Hannak wird 1892 in einer assimilierten jüdischen Familie in Wien geboren. Er wächst in gut bürgerlichen Verhältnissen auf und studiert Rechtswissenschaften an der Universität Wien. Bereits als Jugendlicher begeistert er sich für den Sport, besonders aber für das Schachspiel; er verfasst Artikel in der Wiener Schachzeitung und sehr viel später, 1936, eine Biographie über den ersten anerkannten Schachweltmeister, den „Michel Angelo des Schachspiels“, Wilhelm Steinitz.
1914 rückt Hannak als Einjährig-Freiwilliger zum Militär ein und nimmt in einer Telegraphen-Abteilung an den Kämpfen im Osten teil. Nach Kriegsende tritt er der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei bei, wird Redakteur der Arbeiter-Zeitung, zunächst für die Bereiche Sport und Lokales, später für Politik und Kultur.
Über den legendären Chefredakteur des Parteiblatts Friedrich Austerlitz schreibt Hannak später: Wenn man will, war die Schule Austerlitz eine harte Schule, und manche überstanden sie nicht und liefen davon. […] Wehe, wenn er einem verhatschten Nebensatz, einem schlecht gesetzten Beistrich, einer verschmockten Feuilletonwendung begegnete, da konnte er toben und rasen, da empfand er die Banalität des Stils als eine ihm persönlich angetane Kränkung.
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Von 1920 bis 1928 ist Hannak auch als Mitarbeiter der sozialdemokratischen Monatszeitschrift Der Kampf sowie von 1921 bis 1934 als Chefredakteur der Gewerkschaftszeitung Arbeit und Wirtschaft tätig. Er verfasst Artikel über die Alkoholfrage, die Kinderversicherung, über „Kameradschaft und Geschlecht“ oder über die „Krise des Zionismus“. Anlässlich des 15. Zionistenkongress in Basel 1927 urteilt er, dass die „kleinbürgerliche Utopie des Zionismus“ aus austromarxistischer Perspektive in erster Linie ein „Nationalismus der Abwehr“ sei.
Nach den Februarkämpfen 1934 ist Hannak Mitglied des von Brünn aus agierenden Schattenkomitees. Diese Widerstandsbewegung gegen den austrofaschistischen Ständestaat setzt sich aus ehemaligen Mitarbeitern der Arbeiter-Zeitung zusammen und steht unter der Leitung von Oscar Pollak und Otto Leichter. Ab März 1934 gibt das nun „Zentralkomitee der Revolutionären Sozialisten“ genannte „Fünferkomitee“ mit Manfred Ackermann als Vorsitzendem den illegalen „Nachrichten-Dienst“ heraus. Chefredakteur der klandestinen Zeitung ist Jacques Hannak. Als „Brotverdienst“ schlägt er sich bis 1938 als Redakteur der Neuen Wiener Schachzeitung durch.
Unmittelbar nach dem sogenannten Anschluss Österreichs wird Jacques Hannak verhaftet und zunächst nach Dachau, anschließend in das Konzentrationslager Buchenwald verbracht. 1939 freigelassen, flieht er nach Brüssel, 1940 weiter nach Paris.
Infolge des Einmarsches der Deutschen Wehrmacht in Frankreich wird Hannak von Juni 1940 bis Anfang 1941 im Lager Le Vernet festgehalten. Hier sind auch Bruno Frei und Arthur Koestler sowie die nach Frankreich geflüchteten Überreste der republikanischen Truppen des Spanischen Bürgerkriegs interniert. Abermals gelingt ihm die Flucht. 1941 kann er in die USA emigrieren und landet in Philadelphia. Er wird Mitarbeiter für die deutschsprachigen Rundfunksendungen des „Office of War Information“ und gehört ab 1942 dem Austrian Labor Committee ALC, der Nachfolgeorganisation der aufgelösten Auslandsvertretung der österreichischen Sozialisten unter dem Vorsitz von Friedrich Adler an.
1945 heiratet Jacques Hannak die Publizistin und Widerstandskämpferin Hilde Hannak (1892–1979), die frühere Partnerin des Schriftstellers und ehemaligen Redakteurs des Kleinen Blattes, Schiller Jakob Saul Marmorek (1880–1943), mit dem sie bereits 1935 in die USA ausgewandert war.
Auf Vermittlung Oscar Pollaks kann Hannak 1946 nach Wien zurückkehren, wo er wieder als Journalist für die Arbeiter-Zeitung und als Buchautor tätig ist. Er, der sich in der Ersten Republik zwischen Karl Renner, mit dem er persönlich befreundet ist, und Otto Bauer, dem er ideologisch näherstand, positioniert hatte, wird nach seiner Rückkehr aus dem Exil zu einem der wichtigsten Parteihistoriker der Nachkriegszeit. Er verfasst „Eine volkstümliche Geschichte der Sozialistischen Partei Österreichs“ (1952), den „Versuch einer Biographie“ Karl Renners (1965), gibt die Reden und Schriften Adolf Schärfs (1965) heraus und schreibt eine Biographie des Schachweltmeisters Emanuel Lasker, versehen mit einem Geleitwort von Albert Einstein.
In dieser Zeit leitet Jacques Hannak auch regelmäßig stattfindende Diskussionsrunden, bei denen er Politiker mit Künstlern, Schriftstellern und anderen Intellektuellen zusammenbringt. Hilde Hannak ist derweil Direktorin der Wiener Urania, wo sie sich bis zu ihrer Pensionierung im Jahr 1967 hauptsächlich dem Medium Film widmet.
Rückblickend wenig heroisch ist der von Hannak in der Arbeiter-Zeitung ausgerufene Boykott der Werke Bert Brechts, bei dem er sich dem geradezu hysterischen Antikommunismus Friedrich Torbergs und Hans Weigels – der vom Publizisten Friedrich Heer als „kleiner österreichischer McCarthy“ tituliert wird – anschließt.
Am 24. Februar 1956 macht Jacques Hannak in der Arbeiter-Zeitung eine neue antikommunistische Front auf und wettert gegen das Scala-Theater: Da haben also die Kommunisten im Jahre 1948 in der ‘Scala‘ ein Theater aufgemacht, dessen Aufgabe es war, auf dem Umweg über ‘Kultura‘ Österreich reif zur Volksdemokratie zu machen. Es war eine der vielen antiösterreichischen Waffen, mit denen unser Land in die Knechtschaft gezwungen werden sollte. Ein kommunistisches Parteitheater ist nichts anderes als ein Propagandainstrument mit Kulturtarnung. Die ‘Scala‘ wurde in Wien als solches behandelt: als ein Stück Missbrauch, als eine Waffe in Feindeshand. In der ‘Scala‘ bleiben die Kommunokapitalisten nicht. Gewerkschaftsgut bleibt nicht länger auf Grund ‘sibirischer Verträge‘ in kommunistischen Händen.
Kein Wunder, dass der ehemalige Wiener Kulturstadtrat Viktor Matejka Jacques Hannak einmal als „Berufsantibolschewik“ bezeichnet. Widersprüchlich ist der Mensch...
Literatur
Norbert Leser, Grenzgänger. Österreichische Geistesgeschichte in Totenbeschwörungen, 1982; Ursula Moriggl, Jacques Hannak. Ein Sozialdemokrat, ein Journalist. Biographie und Themenanalyse seiner journalistischen Leistungen für die „Arbeiter-Zeitung“ zwischen 1946 und 1955, 1994.
Werk
Im Sturm eines Jahrhunderts – eine volkstümliche Geschichte der Sozialistischen Partei Österreichs, 1952; Männer und Taten – zur Geschichte der österreichischen Arbeiterbewegung, 1963; Karl Renner, Die Nation. Mythos und Wirklichkeit, 1964; Adolf Schärf, Der Teil und das Ganze. Reden und Schriften, 1965; Karl Renner und seine Zeit. Versuch einer Biographie, 1965; Johannes Schober. Mittelweg in die Katastrophe, 1966.