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Aktuelle Seite: Josef und seine Brüder
0037 | 15. SEPTEMBER 2021    TEXT: LILLI BAUER & WERNER T. BAUER

Josef und seine Brüder

Am 15. September 1841 wird Josef Scheu als Sohn eines Möbelschreiners in Wien geboren. Der älteste von drei Brüdern wird Musiker und Komponist und durch sein „Lied der Arbeit“, das er im August 1868 bei einer Versammlung beim Zobel in Fünfhaus erstmals aufführt, „unsterblich“.

Er hat dem Proletariat das geopfert, was man Carriere nennt; er hätte Rang und Ehren gewinnen können, und Leute, die an Begabung und Können weit unter ihm standen, sind hoch emporgekommen.Arbeiter-Zeitung,1904

Josef Scheu, im Brotberuf Hornist am Wiener Burgtheater, ist auch im Arbeiterbildungsverein Gumpendorf, der Keimzelle der österreichischen Arbeiterbewegung, aktiv. Sein gewerkschaftliches Engagement um arbeitsrechtliche Verbesserungen bringt ihm allerdings bloß Ärger ein. 1881 wird er am Burgtheater zwangspensioniert. Scheu gründet eine neue Existenz, wird Chor­meister des Arbeitersänger­bundes und verdient seine Brötchen schließlich als Musikkritiker der Arbeiter-Zeitung: So hat er in diesem Blatte einem guten Teil des Proletariats die Schätze der Musik erschlossen…

Der erste österreichische Arbeiter...

Als nach einer Arbeiterdemons­tration am 13. Dezember 1869 dessen führende Persönlichkeiten verhaftet und angeklagt werden, befindet sich auch Josefs Bruder Andreas Scheu (1844–1927), Herausgeber des Arbeiterblattes Volkswille, unter den Fest­genommenen.

Andreas, der sich als Angehöriger des „radikalen“ Flügels der Arbeiterbewegung 1874 federführend an der Organisation des ersten, „geheimen“ Gründungs­parteitags der Sozialdemokratie im burgenländischen Neudörfl beteiligt, wandert wegen des repressiven Klimas und der überhandnehmenden inner­parteilichen Fraktionskämpfe bald darauf aus, zunächst nach England, später nach Deutschland, zuletzt in die Schweiz, wo er hochbetagt 1927 stirbt. Er war der erste Wiener, der erste österreichische Arbeiter, der seinen Namen unzerstörbar eingegraben hat in die Geschichte der Internationalen Sozialdemokratie, schreibt die Arbeiter-Zeitung anlässlich seines 70. Geburtstages am 27. Januar 1914.

Von Beruf Xylograph

Der dritte im Bunde ist der 1845 geborene Heinrich Scheu. Der gelernte Holzschneider arbeitet bereits in jungen Jahren in Stuttgart, dann in Leipzig, wo er Wilhelm Liebknecht und August Bebel kennenlernt und dem dortigen Arbeiterbildungsverein beitritt.

Der umtriebige Heinrich Scheu ist im Laufe seines langen Lebens nicht nur in Deutschland tätig. In England, wo er mit Friedrich Engels in Kontakt steht, fertigt er einen Holzschnitt von Karl Marx an. 1891 lässt er sich in der Schweiz nieder, erwirbt das Bürgerrecht und bringt es bis zum Präsidenten der neugegründeten Schweizer Arbeiterkammer. Er entwirft zahlreiche Illustrationen zu den 1. Mai-Feiern der internationalen Arbeiterbewegung, so etwa 1892 ein Blatt, das eine „Maigöttin“ darstellt, in der die jakobinische „Marianne“ mit der antiken Fruchtbarkeitsgöttin Demeter verschmilzt. Heinrich Scheu, dessen Haus in Zürich während des Ersten Weltkriegs zu einem Zentrum der (vergeblichen) Bemühungen um einen Frieden wird, bleibt bis zu seinem Tod im Jahr 1926 politisch aktiv.

Die Internationale als Familie

Die drei Brüder begegnen einander übrigens 1893 beim internationalen Sozialistenkongress in Zürich. Heinrich vertritt die Schweizer Arbeiter, Andreas die englischen und Josef ist Mitglied der österreichischen Delegation.

Josef Scheu stirbt am 12. Oktober 1904. In einem Nachruf charakterisiert die Arbeiter-Zeitung die drei Brüder folgendermaßen: Neben dem feurigen Agitator Andreas, dem feinsinnigen, arbeitseifrigen Heinrich, die den Kampf in der ersten Reihe führten, ist Josef still im Hintergrunde gestanden. Aber nicht ferner dem Kerne der Bewegung war er, der eine echte Künstlernatur war. 1927 beschließt die Gemeinde Wien die Benennung einer neuen Wohnhausanlage in der Drischütz­gasse in Josef-Scheu-Hof.

Josef Scheus älterer Sohn Robert Scheu (1873–1964) wird als Journalist, Schriftsteller und Kulturpolitiker tätig sein, der jüngere Sohn Gustav (1875–1935) als Rechtsanwalt und sozial­demokratischer Stadtrat im Roten Wien. Adolf Loos entwirft für Gustav Scheu und dessen Ehefrau, die Lyrikerin Helene Scheu-Riesz (1880–1970), sein berühmtes Terrassenhaus in der Larochegasse in Hietzing.

Helene Scheu-Riesz emigriert 1934 mit ihrem Sohn Friedrich Scheu in die USA. Nach ihrer Rückkehr leitet Friedrich von 1954 bis 1972 das außenpolitische Ressort der Arbeiter-Zeitung. Die Tochter Elisabeth Scheu Close (1912–2011), die bereits 1932 ausgewandert ist, bleibt in den USA, wo sie als Architektin Karriere macht.

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