Zum Inhalt springen
Aktuelle Seite: Karl Liebknecht – Der Unbeugsame
0032 | 13. AUGUST 2021   TEXT: JULIA BRANDSTÄTTER

Karl Liebknecht – Der Unbeugsame


Vor 150 Jahren, am 13. August 1871, wird Karl Liebknecht als Sohn des Mitbegründers der SPD, Wilhelm Liebknecht, in Leipzig geboren. Als Gegner des Militarismus und Führer der sozialistischen Jugendbewegung wird er zur Ikone der Linken.

Der promovierte Jurist Karl Liebknecht, die Verkörperung der Güte und Brüderlichkeit, wie Leo Trotzki ihn auf einer Sitzung des Petrograder Sowjets am 18. Januar 1919 bezeichnet, vertritt seit 1912 als Abgeordneter der SPD den Wahlkreis Potsdam im deutschen Reichstag. Das Parlament nutzt er regelmäßig als Bühne, um den Militarismus und die Kriegsbe­geisterung, die auch Teile der eigenen Partei erfasst haben, zu geißeln.

Ein einsamer Mann im „hohen Haus“

In Erinnerung sind noch seine aufreizenden Enthüllungen, mit denen er den wahren Charakter des Rüstungskapitals, vor allem der Firma Krupp, aufdeckte, schreibt Max Adler 1919 in Der Kampf. Und: Liebknecht sei eben durch die Rücksichtslosigkeit seines Standpunktes, durch die Gradlinigkeit [sic!] und Uner­bittlichkeit seiner Anschauungen […] ein einsamer Mann im „hohen Haus“.

Der Hauptfeind steht im eigenen Land!

In seiner bereits 1907 veröffent­lichten Schrift „Militarismus und Antimilitarismus“ schreibt er: Das Proletariat der gesamten Welt hat von jener Politik, die den Militarismus nach außen notwendig macht, keinen Nutzen zu erwarten, seine Interessen widersprechen ihr sogar auf das allerschärfste. Das Pamphlet trägt ihm eineinhalb Jahre Festungshaft ein – wegen Vorbereitung zum Hochverrat.

Weit radikaler als der Parteivorstand...

Nur wenige Wochen vor seiner ersten Verhaftung gründet Karl Liebknecht, ein eifriger Förderer der Jugendorganisation und der antimilitaristischen Organisation innerhalb der Sozialdemokratie, gemeinsam mit dem österreichischen Jungsozialisten Leopold Winarsky in Stuttgart die Sozialistische Jugendinternationale.

Auf Winarskys Initiative hin war bereits 1894 der Verein jugendlicher Arbeiter in Wien gegründet worden, der auch die Zeitschrift „Der jugendliche Arbeiter“ herausgibt. Ein Blick in die vorliegenden Bände dieser sehr flott redigierten Zeitung zeigt, dass sie den besonderen Kampf gegen den Militarismus unter der Jugend geschickt zu führen versteht, lobt Liebknecht die österreichischen Kampfgefährten.

Überhaupt legt Karl Liebknecht, der von 1907 bis 1910 als Präsident der Sozialistischen Jugendinternatio­nale fungiert, große Hoffnung in die junge Garde der Sozialdemokra­tischen Arbeiterpartei Österreichs: Die jugendl. Arbeiter weit radikaler als der Parteivorstand! (Adler, Renner, Seitz). Es verwundert deshalb nicht, dass die jungen Linken bei Kriegsausbruch ein Flugblatt verteilen, auf dem Liebknechts Protest gegen die Billigung der Kriegskredite durch die deutsche Sozialdemokratie abgedruckt ist.

Spartakus, das heißt Sozialismus und Weltrevolution

Im August 1914 gründet Rosa Luxemburg die Gruppe „Internationale“, der auch Liebknecht mit zehn weiteren linken SPD-Dissidenten beitritt und die eine innerparteiliche Opposition gegen die „Politik des Burg­friedens“ zu organisieren sucht.

Liebknecht ist heute der populärste Mann in den Schützengräben…
Karl Kautsky, 1916

Um Liebknecht „das Handwerk zu legen“ wird er im Februar 1915 zum Dienst in ein Armierungs-Bataillon einberufen und untersteht damit den Militärgesetzen, die ihm jede politische Betätigung außerhalb des Reichstages untersagen.

Sein fortwährender Disziplinbruch bringt ihm Anfang 1916 den Ausschluss aus der sozialdemo­kratischen Fraktion ein.

Im darauffolgenden Jahr wird Liebknecht bei einer Demonstration am Potsdamer Platz in Berlin erneut verhaftet. Im Gefängnis verfasst er mehrere Schriften, „verdirbt sich“ allerdings die Augen, weil er bei dem von außen hereinscheinenden Licht einer kleinen Laterne gelesen hätte. Erst als die Revolution im Oktober 1918 über Deutschland hinwegfegt, wird Liebknecht begnadigt.

Alle Macht den Räten

Die Kriegsmüdigkeit der deutschen Bevölkerung entlädt sich in Streiks, Hungerprotesten und Desertionen. Schließlich entzündet der Matrosenaufstand in Kiel am 3. November 1918 einen revolutionären Flächenbrand. Kaiser Wilhelm II. dankt ab, und während der neue sozialdemokratische Reichskanzler Friedrich Ebert am 9. November an seine Mitbürger appelliert Verlasst die Straßen! Sorgt für Ruhe und Ordnung, ruft Karl Liebknecht vom Balkon des Berliner Schlosses die freie sozialistische Republik aus.

Doch die sozialistische Revolution in Deutschland ist zum Scheitern verurteilt. Daran kann auch die Gründung der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) zur Jahreswende 1918/19 nichts mehr ändern. Ihr letzter spontaner Aufschrei, der Spartakusaufstand in Berlin, wird im Januar 1919 von Freikorpssoldaten, die im Auftrag des Sozialdemokraten Noske handeln, blutig erstickt.

Auf Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht wird ein Kopfgeld ausgesetzt. Am 15. Januar werden sie in ihrem Versteck aufgespürt und wenig später von Offizieren der Garde-Kavallerie-Schützendivision ermordet.

Trotz alledem

Einen Tag vor seinem Tod verfasst der 48-jährige Liebknecht einen letzten Artikel mit dem Titel Trotz alledem, der sich bereits wie ein Nachruf liest.

Die Besiegten der blutigen Januarwoche, sie haben ruhmvoll bestanden; sie haben um Großes gestritten, […] um geistige und materielle Erlösung der darbenden Massen […]. Und aus jedem Tropfen dieses Bluts, dieser Drachensaat für die Sieger von heute, werden den Gefallenen Rächer erstehen, aus jeder zerfetzten Fiber neue Kämpfer der hohen Sache, die ewig ist und unvergänglich wie das Firmament.

Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht werden, wie Luise Kautsky später schreibt, zum Symbol des Schicksals der deutschen Revolution.

Das Rote Wien gedenkt der Märtyrer des Proletariats seit 1927 mit der Benennung zweier Gassen in der Wohnhausanlage Sandleiten in Ottakring. Und auch der Liebknechthof im 12. Bezirk erinnert sowohl an den glühende[n] Hasser des Imperialismus (Max Adler) Karl wie auch an dessen Vater Wilhelm Liebknecht.

Sonderausstellung im Waschsalon Karl-Marx-Hof 2014/15

DIE RINGSTRASSE DES PROLETARIATS

Stadtspaziergänge können Sie hier buchen.

Fuss ...