Peter Behrens, um 1913 © Wikimedia/Waldemar Titzenthaler
Am 27. Februar 1940 stirbt Peter Behrens, der Pionier des modernen Industriedesigns, in Berlin.
Der Sohn einer norddeutschen Gutsbesitzerfamilie studiert zunächst Malerei in Karlsruhe, Düsseldorf und München. In München gehört Behrens 1892 zu den Mitbegründern der Münchener Secession. Ende der 1890er Jahre wendet sich Behrens zunehmend dem Kunsthandwerk und dem Design zu. Er gestaltet Bucheinbände, Teppiche, Schmuck, Tafelgläser und wird bald zu einem der wichtigsten Vertreter des Münchner Jugendstils. Er heiratet die Textilkünstlerin Elisabeth Krämer; das Paar hat drei Kinder.
Als Architekt ist Behrens Autodidakt. 1899 erhält er eine Berufung an die Darmstädter Künstlerkolonie Mathildenhöhe, die von Großherzog Ernst Ludwig von Hessen unter dem Leitspruch „Mein Hessenland blühe und in ihm die Kunst“ mit dem Ziel gegründet wird, neuzeitliche und zukunftsweisende Bau- und Wohnformen zu entwickeln. Kopf der Gruppe ist der Österreicher Joseph Maria Olbrich, der einzige ausgebildete Architekt in der Künstlerriege.
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Als die Kolonie 1901 mit der Ausstellung „Ein Dokument Deutscher Kunst“ an die Öffentlichkeit geht, ist es Peter Behrens, der mit seinem Haus, das er mitsamt der Inneneinrichtung selbst entworfen hat, großes Aufsehen erregt. Heute gehört das Haus Behrens, so wie die gesamte Mathildenhöhe, zum UNESCO-Welterbe. Behrens baut nicht „nur“ Häuser, er ist zunehmend auch als Designer und Lehrer tätig. Nebenbei entwirft er weiterhin Keramiken, Beleuchtungskörper, gesamte Wohnungseinrichtungen, Schmuck und auch Schriftarten, so etwa die Behrens Antiqua.
1903 verlässt Behrens die Künstlerkolonie in Darmstadt und tritt den Posten des Direktors der Kunstgewerbeschule Düsseldorf an. In der Düsseldorfer Kunstszene und ihrer streng „akademischen“ Ausrichtung stößt der Autodidakt allerdings auf wenig Verständnis. Er beginnt erste „Corporate Designs“ in Form von Briefbögen, Plakaten und Broschüren für diverse Firmen zu entwickeln und reformiert gleichzeitig die Architekturausbildung an der Kunstgewerbeschule. In den nur vier Jahren seiner Tätigkeit in Düsseldorf unternimmt er insgesamt 72 Dienstreisen, besichtigt andere Kunstschulen und trifft sich mit Künstlern in Den Haag, Wien, London, München, Dresden, Berlin und Hamburg.
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Elektrischer Wasserkocher für AEG, 1909
Behrens ist nun zunehmend auch als Architekt tätig, entwirft private Wohnhäuser, aber auch öffentliche Gebäude, wie das moderne und geradlinig schlichte Krematorium in Hagen (NRW). 1907 lässt sich Behrens als selbstständiger Architekt in Berlin nieder. Er wird von Emil Rathenau, dem Gründer der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft (AEG), in den künstlerischen Beirat des Unternehmens berufen. Behrens errichtet in der Folge eine Reihe viel beachteter Industriebauten und Arbeiterwohnsiedlungen und gestaltet nahezu sämtliche Produkte der AEG – vom Firmenlogo und Briefpapier über Plakate und Werbeprospekte bis zu Lampen, Ventilatoren, Motoren, elektrische Öfen usw. Mit seinem Corporate Design prägt Behrens das gesamte Erscheinungsbild des Unternehmens und wird zum führenden Industriearchitekten seiner Zeit.
Im Babelsberger Atelier des „Nichtarchitekten“ sind einige, später weltberühmte Kollegen der Moderne tätig – Walter Gropius, Ludwig Mies van der Rohe und und Charles-Edouard Jeanneret-Gris, der sich ab 1920 Le Corbusier nennt.
1911 entwirft Behrens den Bau der Deutschen Botschaft in Sankt Petersburg. 1914 ist er im Vorstand der Kölner Werkbundausstellung zu finden, 1916 gestaltet er, gemeinsam mit der Typographin Anna Simons den Schriftzug „Dem deutschen Volke“ am Berliner Reichstagsgebäude.
Nach dem Ersten Weltkrieg und der darauffolgenden schlechten Wirtschaftslage sucht Behrens nach Einsparmöglichkeiten beim Bauen. In seiner 1918 erschienen Schrift „Vom sparsamen Bauen“ setzt er sich für die Standardisierung von Bauelementen und die Verwendung preiswerter Materialien ein. In seinen städtebaulichen Entwürfen von Wohnsiedlungen legt er wichtige Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen, Kindergärten, Geschäftslokale usw. zusammen.
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In den 1920er Jahren ist Behrens mit seiner „Arbeitsgefährtin“, der deutschen Architektin und Kostümbildnerin Else Oppler-Legband liiert. Ihr gemeinsames „Haus, in dem das Glück wohnt“ wird allerdings unvollendet bleiben. Else wird Deutschland wegen ihrer „jüdischen Abstammung“ 1933 verlassen müssen.
In diesen Jahren entstehen auch das Verwaltungsgebäude der Farbwerke Hoechst AG in Frankfurt (1920–1924), ein bis ins kleinste Detail durchdachtes expressionistisches „Gesamtkunstwerk“, 185 Meter lang, aus verschiedenfarbigen Ziegeln, mit zwei Büroflügeln und, als Tor zum Werk, einem Eingangsgebäude mit Turm und Brücke, sowie das Terrassenhaus in der Weißenhofsiedlung in Stuttgart (1927) im Rahmen der von Ludwig Mies van der Rohe geleiteten Werkbundausstellung.
1922 übernimmt Peter Behrens – nach dem ungeliebten Kurzzeitnachfolger Leopold Bauer – den Lehrstuhl Otto Wagners als Leiter der Meisterschule für Architektur an der Wiener Akademie der bildenden Künste, und bildet dort einige später bedeutende Architekten aus, wie z.B. Robert Kramreiter, Otto Niedermoser, Ernst A. Plischke, Anton Brenner oder Alexander Popp. In Wien ist Behrens an drei kommunalen Wohnbauprojekten beteiligt, dem Franz-Domes-Hof, dem Winarskyhof und dem Bau in der Konstanziagasse 44.
Seine herausragendste Arbeit in Österreich ist allerdings das Fabriksgebäude der Österreichischen Tabakregie in Linz, das er in den Jahren 1929 bis 1935 gemeinsam mit seinem Schüler Alexander Popp errichtet. Die gewaltige, durch Fenster- und Mauerbänder horizontal gegliederte und durch Stiegenhäuser vertikal durchbrochene Fassade ist dynamisch gerundet, um, wie Behrens betont, „den unerfreulichen Anblick von Bruchpunkten“ zu vermeiden.
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Zigarettenfabrik der österreichischen Tabakregie in Linz in: Österreichische Kunst, 1932
Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wird Peter Behrens zunächst als „Baubolschewist“ diffamiert. Er weigert sich jedoch, einen Zusammenhang zwischen seiner Arbeit und der Politik zu sehen – sein Hang zum Klassizismus und zur Monumentalität macht Behrens schließlich auch für die Nationalsozialisten interessant. Ab 1934 arbeitet Behrens mit Hitlers Lieblingsarchitekten Albert Speer zusammen – u. a. ist er für die Neugestaltung des Alexanderplatzes verantwortlich. Für den austrofaschistischen Ständestaat ist Behrens damit nicht mehr tragbar. Er kehrt 1936 nach Deutschland zurück und übernimmt in Nachfolge von Hans Poelzig, der in die Türkei emigriert, die Leitung der Meisterschule für Architektur an der Preußischen Akademie der Künste in Berlin.
Literatur: Hans-Joachim Kadatz, Peter Behrens. Architekt, Maler, Grafiker und Formgestalter, 1977; Alan Windsor, Peter Behrens. Architekt und Designer, 1985; Kurt Asche (Hrsg.), Die Quadratur des Kreises. Peter Behrens als Architekt und Designer, 1990; Hans-Georg Pfeifer, Peter Behrens. Wer aber will sagen, was Schönheit sei?, 1990; Thomas Föhl et al. (Hrsg.), Peter Behrens. Vom Jugendstil zum Industriedesign, 2013.