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Aktuelle Seite: „Mein Glaubensbekenntnis ist die Revolution“.
0055 | 19. JANUAR 2022    TEXT: LILLI BAUER & WERNER T. BAUER

„Mein Glaubens­bekenntnis ist die Revolution“.

Im Januar 1942 wird der Wiener Arbeiterdichter Benedikt Fantner in der Euthanasieanstalt Schloss Hartheim bei Linz ermordet.

Der 1893 in Wien geborene Fantner ist bereits mit 18 Jahren ein glühender Freigeist und Sozialist. Im Ersten Weltkrieg gerät er in russische Gefangenschaft und schließt sich 1917 der Russischen Revolution an. Zurück in Wien frequentiert er diverse sozialistische, kommunistische und anarchistische Versammlungen und Diskutierklubs, über die er, wie Herbert Exenberger schreibt, meint: In allen Lagern lernte er Revolutionäre, aber auch viele Schwätzer und Streber kennen.

Während der Wirtschaftskrise verliert er seine Arbeit als Bankbeamter und muss sich sein tägliches Brot als Vertreter, Austräger und Schreiber mehr schlecht als recht verdienen. Als Schriftsteller und Dichter wird Fantner durch seine Beiträge in sozialdemokratischen Zeitschriften bekannt; gelegentlich ist er auch als Autor für die Arbeiter-Zeitung, Die Unzufriedene, Das Kleine Blatt oder für die Zeitschrift Der Strom tätig.

„Ein Proletarier führt die Feder. […] Die Anfänge sind vielversprechend; wir werden von Fantner in weiteren Stadien innerer Reifung wohl noch mehr zu hören bekommen.“ Arbeiter-Zeitung, Januar 1932

Zwei Bücher Benedikt Fantners werden in den Jahren 1929 und 1931 vom Buchhändler und Verleger Richard Lányi* publiziert; außerdem macht er sich durch seine Lesungen einen Namen, so zum Beispiel bei den Autoren­abenden der Vereinigung sozialistischer Schriftsteller oder „im Rahmen eines Gewerk­schaftsabends der Schuh- und Lederindustriearbeiter“, wo er aus seinen Werken vorträgt.

Lesungen im Arbeiterstrandbad

Nach dem Ende der Demokratie im Februar 1934 wird Fantners finanzielle Lage zunehmend prekär, da sich seine Arbeiten kaum noch publizieren lassen. Hörer der literarischen Fachgruppe im Volksheim Ottakring laden ihn abwechselnd zum Mittagessen ein, um seine trostlose Lage ein wenig zu erleichtern.

Im Sommer 1935 beteiligt er sich an illegalen Lesungen von Arbeiterschriftstellern im Wiener Arbeiterstrandbad, die der Bildungsfunktionär der Arbeiter­kammerViktor Matejka, organisiert. Kurz darauf, am 11. September 1935, durchsuchen Polizeibeamte die notdürftig eingerichtete Wohnung des „linksradikalen Schriftstellers“ in der Dingelstedtgasse 5-7 im 15. Bezirk. 26 Schriftstücke werden beschlagnahmt, die meisten Manuskripte verschwinden danach für immer, darunter auch jenes des eben fertiggestellten Romans „Menschen zwischen den Zeiten“, das bis heute verschollen bleibt.

Wegen Verwahrung kommunistischer und anderer illegaler Druckschriften, die offenbar für Propagandazwecke bestimmt waren, wird Fantner mit sechs Wochen Arrest bestraft.

No pasaran!

Nach seiner Entlassung übersiedelt Fantner in die benachbarte Tschechoslowakei und meldet sich 1937 zu den Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg, wo er der XI. Internationalen Brigade zugeteilt wird. Nach der Niederlage der Republikaner flieht er nach Frankreich, wird interniert und am 22. Februar 1941 ins KZ-Dachau überstellt. Hier begegnet er Viktor Matejka wieder, der Stubenältester im Block 13, Stube 1 ist: Er ist jeden Tag gekommen, ich habe ihn bisserl füttern können, aber es war zu sehen, er geht zugrunde...

Als nicht mehr arbeitsfähiger Häftling wird Benedikt Fantner mit hundert anderen ausgemergelten und erschöpften Leidensgenossen im Zuge der Aktion „14f13“ am 19. Januar 1942 in die Euthanasie­anstalt Schloss Hartheim bei Linz überstellt und dort ermordet. Seine Aschenurne wird im Familiengrab auf dem Baumgartner Friedhof beigesetzt.

* Richard Lányi (9.12.1884 Wien–28.5.1942 ermordet in Auschwitz), Buchhändler und Verleger von Benedikt Fantner.
Literatur
Lazarus. Die Geschichte eines Menschen unserer Zeit. Wien 1929.
Geschichten aus der grauen Masse, Wien 1931.
Herbert Exenberger: Benedikt Fantner (1893–1942). Ein österreichischer Arbeiterschriftsteller. In:
Österreich in Geschichte und Literatur, Heft 4, 1982.
Herbert Exenberger (Hrsg.): Als stünd’ die Welt in Flammen. Eine Anthologie ermordeter
sozialistischer SchriftstellerInnen. Wien 2000.

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