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Aktuelle Seite: „Venedig in Floridsdorf“
0118 | 8. JULI 2023    TEXT: LILLI BAUER & WERNER T. BAUER

„Venedig in Floridsdorf“


An der Alten Donau [...] ist ein eigenartiger Park im Entstehen begriffen, der Sonntag der allgemeinen Benützung übergeben werden wird, berichtet Österreichs erste Boulevard­zeitung Die Stunde am 7. Juli 1928.  

Der Floridsdorfer Wasserpark macht seinem Namen alle Ehre, besteht er doch zu einem guten Drittel aus Wasser. Die in den 1870er Jahren durchgeführte Donauregulierung hatte den ehemaligen Hauptarm des Stromes stillgelegt, das nordwestliche Ende der dadurch entstandenen Alten Donau begann durch Ablagerungen allmählich zu veröden. Mit der Sanierung des sumpfigen und verschmutzen Areals wird das Wiener Stadtgartenamt unter der Leitung von Fritz Kratochwjle betraut.

Der Baumflüsterer

Der gelernte Gärtner Kratochwjle (1882–1956) tritt 1905 in den Dienst der Gemeinde Wien ein, wird 1923 Direktor der Höheren Gartenbauschule der Gartenbau­gesellschaft und 1927 Direktor der Wiener Stadtgärten.

Ganz im Sinne Julius Tandlers, der die gesundheitsfördernde Bedeutung der städtischen Grünflächen erkennt und die Garten­anlagen als „Lungen der Großstadt“ bezeichnet, prägt Kratochwjle den Begriff „Grünflächenpolitik“. Unter seiner Ägide werden der Modenapark (1926), der Kongresspark (1927/1928), der Märzpark (1928), der Herderpark (1928/1929), der Wettsteinpark (1929/1930) sowie zahlreiche weitere Grünflächen in Wien angelegt.

Auf Kratochwjle gehen auch die Bepflanzungen im George-Washington-Hof zurück, die den einzelnen Höfen ihre Namen geben: Birken-, Flieder-, Ahorn-, Ulmen- und Akazienhof (1929).
In seiner Amtszeit werden außerdem mehrere bereits aufgelassene Kommunal- und Ortsfriedhöfe in Parks umgewandelt – der Donaufelder Park, der Haydnpark, der Paul-Hock-Park, der Schubertpark, der Strauß-Lanner-Park und der Waldmüllerpark –, die Donaukanalufer begrünt und in bestehenden Parkanlagen Kinderfreibäder und Spielwiesen errichtet.

1931 veröffentlicht Fritz Kratochwjle in „Die städtischen Gärten Wiens“ seine Überlegungen zur „Grünpolitik“ – und mischt sich damit in den laufenden Architekturdiskurs ein. Wien, so der oberste Gärtner, brauche eigentlich keine „Gartenstädte“, vielmehr müsse ganz Wien eine „Stadt der Gärten“ werden.

Leo Schreiner vom Öster­reichischen Naturschutzverband rezensiert das Werk 1932 in der Zeitschrift „Natur und Land“: Hier setzt sich der Verfasser in Gegensatz zu den neuzeitlichen Theorien des Städtebaues, der an der Peripherie der Großstädte, von diesen durch breite Grünzonen getrennt, „Gartenstadtsiedlungen" vorsieht, und unterordnet sich dem Standpunkte des Wiener Stadtbauamtes, das trotz aller Gegenvorstellungen maßgebender Kreise, dabei beharrt, das [sic] eine mehrgeschossige Verbauung in Form riesiger Gebäudekolosse mit eingestreuten Parkanlagen der Siedlung vorzuziehen sei.

In diesem Park dominiert das Wasser

Beim Wasserpark kann sich Kratochwjle gestalterisch austoben. Zunächst werden Gräben ausgebaggert. Auf diese Weise entstehen zwei durch Kanäle verbundene Teiche sowie eine große Insel. Über die Kanäle führen kleine spitze Brücken im japanischen Stil, die verschlungenen Wege sind mit Natursteinen gesäumt und mit Laternen beleuchtet.

Da durch den Hubertusdamm warmes Donauwasser in den Park einsickert, gefriert dieses im Winter nicht vollständig und dient zahlreichen Wasservögeln als Winterquartier.

Zwei Tage nach der feierlichen Eröffnung des Wasserparks durch Bürgermeister Karl Seitz zitiert die Arbeiter-Zeitung aus dessen Rede: Wenn auch der Wasserpark in Floridsdorf ist, gehört er trotzdem ganz Wien […].

Solche Gartenanlagen sind nicht nur eine Notwendigkeit für die arbeitenden Menschen, die in ihren Feierstunden Erholung suchen, sie gehören insbesondere den Kindern, die in Sonne, Luft und Wasser gedeihen sollen und die wir inmitten farbenprächtiger Blumen zum Verständnis für die Natur erziehen wollen.

Als Erwachsene werden sie Zeugnis davon geben, daß am Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts ein Geschlecht gelebt hat, das sich seiner geschichtlichen Aufgabe bewußt war: nicht nur für den Tag zu sorgen, sondern auch für die Zukunft...

Die „Sonntagsarbeit des Bürgermeisters“ ist damit allerdings noch nicht vorbei. Im Anschluss an die Eröffnung des Wasserparks nimmt Karl Seitz die Eröffnung des Kinder­freibades am Franz-Josefs-Kai und des Volksbades am Gennochplatz in Stadlau vor.

Kratochwjle wird im Jahr 1940 zwangspensioniert, im Mai 1945 wiederangestellt und bleibt bis 1950 als Stadtgartendirektor im Amt.

1962 wird die Kratochwjlestraße am Rande des Donauparks nach Friedrich Kratochwjle benannt.

Link
Österreichisches Gartenbaumuseum

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