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Aktuelle Seite: Viktor Matejka – Katholik und Kommunist
0105 | 2. APRIL 2023    TEXT: LILLI BAUER & WERNER T. BAUER

Viktor Matejka – Katholik und Kommunist


Am 2. April 1993 stirbt der Kulturpolitiker und Schriftsteller Viktor Matejka hochbetagt in Wien.

Als Sohn eines Heurigensängers 1901 in Korneuburg geboren, wächst Matejka in kleinbürgerlich katholischen Verhältnissen im niederösterreichischen Stockerau auf. Nach Kriegsende studiert er an der Universität Wien als Schüler des sozialdemokratischen Historikers und Volksbildners Ludo Moritz Hartmann Geschichte und Geografie.

1925 zum Doktor der Philosophie promoviert, betätigt sich Viktor Matejka im Roten Wien an verschiedenen Volkshochschulen als Vortragender zu wirtschaftspolitischen Themen.

Matejka bleibt zeitlebens „Linkskatholik“ und wird als solcher auch nach dem Bürgerkrieg 1934 nicht arbeitslos. Auf Vermittlung seines früheren Geschichtelehrers Emmerich Czermak, der es zwischenzeitlich bis zum Unterrichtsminister gebracht hatte, steigt Viktor Matejka im Ständestaat zum Bildungsreferenten der gleichgeschalteten Wiener Arbeiterkammer und zum Obmann der Volkshochschule Ottakring auf.

Er nützt diese Funktion, um auch früheren sozialdemokratischen Vortragenden Aufträge und damit Arbeit zu verschaffen. Im Sommer 1935 organisiert er im Wiener Arbeiterstrandbad sogar Lesungen von verfemten Arbeiterschrift­stellern. Vielen Austroklerikalen gefällt das gar nicht.

1936 verliert Matejka auf Betreiben von Bürgermeister Richard Schmitz seine Position in der Volkshoch­schule, behält aber bis 1938 jene in der Arbeiterkammer. 

Der Bibliothekar von Dachau

Nach dem sogenannten Anschluss wird Viktor Matejka im April 1938 mit dem „Prominententransport“ ins Konzentrationslager Dachau deportiert – gemeinsam mit Robert Danneberg, Leopold Figl, Franz Olah und Richard Schmitz, der ihn zwei Jahre zuvor abgesetzt hatte.  

Matejka bleibt bis zu seiner Freilassung im Jahr 1944 in KZ-Haft, die meiste Zeit über in Dachau. Im Konzentrationslager betreut er die Häftlingsbücherei und erstellt aus Zeitungsausschnitten seine subversiven „Pickbücher“ – Zeitungsausschnitte mit Reden des „Führers“ und Heeresberichten, mit Artikeln über bildende Kunst, Literatur, Musik und Philosophie, alles fein säuberlich ausgeschnitten und zu Themengruppen geordnet.

Zu Beginn steht ihm dafür lediglich der Völkische Beobachter zur Verfügung, im Laufe der Zeit bewilligt der Lagerkommandant den Bezug von Lokal-, Provinz- und Kunstzeitschriften. Insgesamt gestaltet Matejka über 20 Pickbücher, von denen vier erhalten geblieben sind und heute im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) eingesehen werden können.

Am 6. Juli 1944 wird Viktor Matejka aus dem Konzentrationslager Dachau entlassen. Trickreich entzieht er sich der drohenden Einberufung zu einer Straf­kompagnie der Wehrmacht.

Ein „besessener Österreicher“

Am 17. April 1945, wenige Tage nach der Befreiung Wiens, setzt die sowjetische Stadtkommandantur einen provisorischen Gemeinderat ein. Bürgermeister der Drei-Parteien-Regierung aus SPÖ, ÖVP und KPÖ wird der Sozialdemokrat Theodor Körner. Für das Amt für Kultur und Volksbildung nominiert die Kommunistische Partei Viktor Matejka. Unklar bleibt, wann er der KPÖ beigetreten war; „vermutlich aber erst unmittelbar davor und eventuell erst mit der Aussicht auf das bevorstehende Amt“, so der Historiker Werner Michael Schwarz im Magazin des Wien Museums.

Obwohl die erste Gemeinderats­wahl nach dem Krieg im November 1945 für die KPÖ mit einer Enttäuschung endet – die SPÖ erreicht 58 Mandate, die KPÖ nur sechs – setzen SPÖ, ÖVP und KPÖ ihre Zusammenarbeit im Stadtsenat fort. Viktor Matejka bleibt, als nunmehr einziger Stadtrat der KPÖ, bis 1949 auf seinem Posten.

Matejka, der sich selbst als einen „besessenen Österreicher“ bezeichnet, sieht seine Aufgabe darin, die Eigenständigkeit des wiedererrichteten Staates über den Umweg der Kultur zu betonen. Mit seinem durchgängigen Bekenntnis zu Österreich ist er, wie Werner Michael Schwarz ausführt, wohl „der richtige Mann“ für die sowjetische Verwaltung.

Der „unkommunistischste Kommunist“

Matejkas weltanschauliche Positionen sind für Schwarz „ungewöhnlich“ in der Kombination: Kritischer Katholik und unortho­doxer Linker, Aufklärer und Volksbildner, auf jeden Fall ein strikter Gegner des National­sozialismus. Für die KPÖ ist Matejka ein intellektuelles Aushängeschild und genießt deshalb gewisse „Narrenfreiheiten“ – was ihn jedoch nicht vor Angriffen und Denunziationen schützt.

Ich möchte richtig stellen: Ich war nie ein Kommunist, ich war ein Mitglied der Kommunistischen Partei... Viktor Matejka. Das Buch Nr. 3

In einem Schreiben an den Sekretär der KPÖ Friedl Fürnberg lobt ihn einer seiner Mitarbeiter unter dem Titel Einige Bemerkungen zur Arbeit unseres Genossen Matejka und beklagt sich gleichzeitig wortreich: Er ist ein Volksbildner mit Leib und Seele. [...] Er möchte überall dabei sein, bei den Freistilringern und den Symphonikern, bei den bildenden Künstlern und den Philatelisten, bei den Werbegraphikern und bei der Augarten-Porzellan, bei Heimat­pflegern und beim Olympischen Komitee, in allen Premieren der Wiener Kinos und Theaters usw. usw. [...]  Er hat einmal erklärt, daß der Praterausrufer, der mit den Worten: „Hereinspaziert meine Herrschaften“ die Kunden anlockt, schon immer sein Vorbild gewesen ist. [...] Es dürfte uns auch nicht gleichgültig sein, wenn Vizebürgermeister Weinberger unseren Genossen Matejka im „Kleinen Volksblatt“ den unkommunistischen Kommunisten nennt. [...] Selbst bei Gelegenheiten, die sich von selbst ergaben, hat er immer wieder das Bestreben gezeigt, politische Auseinandersetzungen zu vermeiden.

Überzeugter Antifaschist

Als Kulturstadtrat ist Viktor Matejka der einzige prominente Politiker, der die vom NS-Regime vertriebenen Künstler und Intellektuellen offiziell zur Rückkehr einlädt – allerdings ohne großen Erfolg, zumal seine Initiativen von den anderen Gemeinderatsparteien nicht unterstützt werden.

Ein besonderes Anliegen ist ihm die schonungslose Aufklärung über die nationalsozialistischen Verbrechen, wie etwa in der 1946 im Künstler­haus gezeigten Ausstellung „Niemals vergessen!“, gestaltet vom Grafiker Victor Theodor Slama, der in der Ersten Republik zahlreiche Plakate für die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) entworfen hatte.

Matejka ist ein unermüdlicher Hans Dampf in allen Gassen, seine durchaus unkonventionellen Ideen bringen Schwung in das verstaubte Wiener Kulturleben der Nachkriegszeit. Voraussetzung für eine neue politische Kultur sei, davon ist er zutiefst überzeugt, die umfassende Demokratisierung der Kultur- und Bildungsgüter, eine neue Preispolitik, eine Dezentralisierung der Kulturstätten und die Bespielung öffentlicher Räume.

Eine Reihe von Malern unterstützt er auch direkt durch die Vergabe von Aufträgen – sehr oft handelt es sich dabei um Porträts seiner eigenen Person.

Ausgeschifft

1949 scheidet die KPÖ und mit ihr auch Viktor Matejka aus der Stadtregierung aus. Bürgermeister Körner bedankt sich in seiner Antrittsrede bei Viktor Matejka, der noch bis 1954 Mitglied des Gemeinderats bleibt, für seine außerordentlichen Verdienste um die kulturelle Wiederbelebung Wiens unter höchst ungünstigen Bedingungen.  

Im Oktober 1954 schreibt die Arbeiter-Zeitung hämisch: Die Kommunisten haben [...] die früheren Gemeinderäte Dr. Karl Altmann (den ehemaligen Energieminister) und Dr. Viktor Matejka (den ehemaligen Stadtrat für Kultur und Volksbildung) ausgeschifft. [...] Die zwei Hinausgeworfenen sind bezeichnenderweise beide Intellektuelle und beide Renegaten: Doktor Altmann von den Sozialisten, Doktor Matejka von den Dollfuß-Christlichsozialen. Beide haben also nichts Besseres verdient, als was sie jetzt erfahren; beide müssen es seit langem befürchtet haben. Beide wären ja gerne abgesprungen, bevor sie abgestoßen wurden, wenn sie sich nur getraut hätten.

Lieber Hähne als Häme

Es ist in beiden Fällen verführerisch, darüber Rückschlüsse auf seine Persönlichkeit zu ziehen. Der Hahn steht ja für Kampflust, Mut und Eitelkeit – sicher nicht ganz falsch. Werner Michael Schwarz

Matejka ist nun Mitherausgeber und leitender Redakteur des (Wiener) Tagebuchs, der kulturpolitischen Zeitschrift der KPÖ und umtriebiger Vielschreiber. Unter den Titeln Unangenehme Notizen und TB greift auf… greift ein… greift an… verfasst er scharfsinnige, oft vor Wortwitz funkelnde Kolumnen. Zu seinem Kollegen Ernst Fischer hält er jedoch stets Distanz.

Im Februar 1957 wird Viktor Matejka als Mitherausgeber der Zeitschrift abgelöst, ist aber weiterhin als Redakteur tätig. Im September 1965 erfolgt die einvernehmliche Kündigung. Matejka bleibt bis zu seiner Pensionierung im Dezember 1966 Mitglied der KPÖ.

Legendär ist Matejkas Kunst­sammlung, die noch zu seinen Lebzeiten an das Wien Museum geht. Seine zahlreichen Porträts stammen von renommierten Künstlern wie Georg Eisler, Otto Rudolf Schatz, Alfred Hrdlicka, Max Weiler oder Oswald Oberhuber. Matejkas Spezialgebiet aber sind Hähne, die er seit den 1930er Jahren in allen möglichen Formen zusammenträgt – insgesamt an die 4.000 Stück.

Werke (Auswahl)
Katholik und Kommunist, 1945; Widerstand ist alles. Notizen eines Unorthodoxen, 1984; Anregung ist alles – Das Buch Nr. 2., 1991; Das Buch Nr. 3., 1993 postum.
Literatur
Franz Richard Reiter (Hrsg.): Wer war Viktor Matejka? Dokumente – Berichte – Analysen, 1994.
Magazin Wien Museum

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