Zum Inhalt springen
Aktuelle Seite: „Wir spielen nicht zum Vergnügen.“
0162 | 23. AUGUST 2024    TEXT: LILLI BAUER & WERNER T. BAUER

„Wir spielen nicht zum Vergnügen.“


Am 23. August 1919 schließen sich vier durch den Weltkrieg völlig „zersplitterte“ Wiener Arbeiter­sportvereine – der Allgemeine Turnverein,  der Arbeiter Turnverein Floridsdorf, der 1. Neulerchenfelder Turnverein und die freie Turnerschaft Leopoldstadt – zum Wiener Arbeiter-Turner- und Sportverein (WAT) zusammen.

Die Wurzeln der österreichischen Arbeitersportbewegung liegen in den Arbeiter­bildungsvereinen des 19. Jahrhunderts, die lange Zeit die einzige Möglichkeit darstellen, sich auf legale Weise zu organisieren. In diesen Arbeiterbildungsvereinen entstehen – zunächst unter dem Einfluss der deutschnationalen Turnerbewegung – schon bald erste Arbeiterturnvereine.

Neben der Bildung und der Forderung nach politischer Teilhabe stehen die körperliche Gesundheit und das gemeinschaftliche Naturerlebnis im Vordergrund der Aktivitäten dieser Vereine. Wandern und Bergsteigen werden bald zu beliebten Freizeitbetätigungen. 1893 entstehen die ersten Arbeiter-Radfahrvereine, und 1895 wird der Touristenverein Naturfreunde gegründet.

Von Wirtshaus zu Wirtshaus…

Im Sommer tummeln sich die Arbeitersportler gerne auf den Turnplätzen, beliebte Spiele sind Faustball und Raffball. Einen solchen Turnplatz pachtet der Allgemeine Turnverein Wien am Kaasgraben in Sievering bereits im Jahr 1908. In den Wintermonaten beginnt sich auch der Skisport in der Arbeiterschaft zu verbreiten.


Der Allgemeine Arbeiter-Turnverein Floridsdorf nimmt zunächst im Gasthaus Bartsch seine Tätigkeit auf. Mangels eines eigenen Saales schlägt man sich eine Zeit lang von Wirtshaus zu Wirtshaus durch. Nach Fertigstellung des Floridsdorfer Arbeiterheimes in der Angerer Straße im Jahre 1911 finden die Floridsdorfer Arbeiterturner dort ich neues Zuhause.

1909 gründen die Wiener Turner den Arbeiter-Schwimmverein. Die Kraftsportarten Stemmen und Ringen sowie das Fußballspielen erweitern bald darauf das Sport- und Freizeitangebot.

Der Ausbruch des Weltkrieges setzt dem regen Vereinsleben der ersten Wiener Arbeiterturn­vereine ein jähes Ende. Nach und nach werden vor allem die jüngeren Mitglieder „zu den Waffen gerufen“; viele von ihnen verlieren im Krieg ihr Leben oder ihre Gesundheit.

Aufschwung im Roten Wien

Nach der Katastrophe des Ersten Weltkriegs sammeln sich die Wiener Arbeiter­sportler, die Arbeiterradfahrer und die Naturfreunde 1919 im „Verband der Arbeiter- und Soldaten­sportvereine“ (VAS), der als Dachverband fungiert und sich 1924 zum Arbeiterbund für Sport und Körperkultur in Österreich (ASKÖ) umbenennt.

Der „Wiener Arbeiter-Turnverein" (WAT) erlebt in der Ersten Republik einen enormen Zulauf und avanciert bald zu einer der mitgliederstärksten Sportorganisationen des Landes. 1929, zehn Jahre nach seiner Gründung, zählt der WAT bereits 19.356 Mitglieder. Laufend erobern sich die Arbeiter neue Sportarten: Ein Handballverband wird gegründet, aber auch der Verband der Arbeiter-Tennis- und Eissportvereine oder der Arbeiter-Jiu-Jitsu-Klub.

1931 wird auf Initiative des ASKÖ die 2. Arbeiter-Olympiade in Österreich ausgetragen – im Februar in Mürzzuschlag und auf dem Semmering, und vom 19. bis 26. Juli in Wien, mit dem neu errichteten Praterstadion als Mittelpunkt.

1934 wird auch die Arbeiter­sportbewegung in Österreich, und mit ihr der WAT, aufgelöst.

Nach dem Krieg

Nach der Zeit des Faschismus und des Zweiten Weltkriegs, der gerade unter den jungen Mitgliedern zahlreiche Opfer fordert, erreicht der WAT bald wieder die Größe und Mitgliederstärke der Zwischenkriegszeit.

Im Zuge des gesellschaftlichen Wandels, der wachsenden Mobilität und der immer stärker individualisierten Freizeitgestaltung wird der WAT in den 1970er Jahren unter der Präsidentschaft des früheren Vizebürgermeisters Hans Bock zu einem modernen Sportverein umgeformt.

Heute ist die ASKÖ WAT der Wiener Landesverband der ASKÖ und zählt mit insgesamt 48 verschiedenen Sportarten zu Österreichs größten Allround-Sportvereinen.

Literatur: Hans Gastgeb, Vom Wirtshaus zum Stadion, 1952; Reinhard Krammer, Arbeitersport in Österreich. Ein Beitrag zur Geschichte der Arbeiterkultur in Österreich bis 1938, 1981; Matthias Marschik, „Wir spielen nicht zum Vergnügen“. Arbeiterfußball in der Ersten Republik, 1994; Christine Trucksess, Anfänge des Arbeitersports in Österreich. Von der Monarchie bis zum Ende der 1. Republik, 1987.

Link: ASKÖ WAT Wien

2. ARBEITER-OLYMPIADE IN WIEN

Sonderausstellung 2020/21

Fuss ...