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Aktuelle Seite: Der Genosse aus Wildwest
0049 | 18. NOVEMBER 2021    TEXT: LILLI BAUER & WERNER T. BAUER

Der Genosse aus Wildwest

Der gelernte Buchdrucker Emil Kralik begibt sich 1881 für mehrere Jahre auf Wanderschaft, um sich „ein Bild von der Welt“ zu machen. Er bereist Italien, Deutschland, Holland, Frankreich, die Schweiz, Schweden und England, und heuert schließlich in Kopenhagen in einer sozialdemokratischen Druckerei an.

[…] auch Dänisch lernte er und das Französische sprach er so fließend wie ein geborener Pariser oder, wie er selbst sagte, wie ein „Pariser Hausmeister“.

Derb, aber nicht roh!

Zurück in Wien engagiert er sich in der Fachorganisation der Buchdrucker und redigiert ab 1888 deren Organ Vorwärts!. Franz Schuhmeier holt ihn 1891 zur neugegründeten Volkstribüne, dem „Organ für die Interessen des arbeitenden Volkes“, das nach eigener Darstellung scharf und derb geschrieben ist, ohne roh zu werden.

1895 stößt Kralik zur Arbeiter-Zeitung, wo er zunächst das lokale, später das kommunale und sozialpolitische Ressort betreut. Als „Vorwärts“-Redakteur hatte er das Blatt auch technisch herzustellen. Da bewährte er sich nun als einer der besten Setzer […]. Er brachte das Kunststück zuwege, das ihm wohl wenige nachmachen werden, einen Artikel gar nicht erst zu schreiben, sondern gleich aus dem Kopfe zu setzen (Arbeiter-Zeitung, 19.11.1906).

Überaus populär werden seine unter dem Pseudonym „Habakuk“ verfassten Glossen sowie die unter dem Titel „Der Genosse aus Wildwest“ erscheinenden Humoresken, in denen er das Wiener Kleinbürgertum in einer oft deftigen Sprache kritisiert. Diese Sonntagsunterhaltung ließ sich niemand entgehen, es waren des Spießbürgers Anschauungen über die Ereignisse der letzten Woche.

Bauchinger und Co.

1896 übernimmt Kralik auch die Redaktion der Neuen Glühlichter. Das im Stil des Münchner Simpli­cissimus gehaltene „Humoristisch-satirische Arbeiterblatt“ erscheint ab November 1889 zwei Mal monatlich und wird, nachdem es Gewinn abwirft, 1894 von der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei übernommen.

Für die Glühlichter schreiben unter anderem auch der Satiriker Alexander Roda-Roda, der spätere Literaturnobelpreisträger Hermann Hesse, der Schriftsteller und Dichter Christian Morgenstern, der Theatergründer Stephan Großmann, der Arbeiterdichter Alfons Petzold sowie der Volksbildner Josef Luitpold Stern. Berühmt werden die von bekannten Illustratoren stammenden und teilweise auch kolorierten Karikaturen und Zeichnungen zur Tagespolitik.

Für seine satirischen Glossen erfindet Kralik einige legendäre Figuren, zumeist Vertreter des reaktionären und antisemitischen Wiener Kleinbürgertums, wie den „Herrn Bauchinger“, den „Gschwadrantner“, den „Blunzinger“ oder die „Pfarrers-Kathl“.

Er leuchtete mit seinen „Glühlichtern“ in die Seele des Wiener Christlichsozialen.Die Glühlichter, 1906

Emil Kralik stirbt am 18. November 1906 mit nur 42 Jahren an den Folgen seiner Trunksucht.

Im seinem letzten Habakuk in der Arbeiter-Zeitung vom 4. November schildert er wohl den Verlauf seiner eigenen Krankheit: Herr Bauchinger gefiel sich und seinen „Spezi“ schon seit einiger Zeit nicht mehr. Er nahm ab, was er allerdings als „a wahr’s Glück“ pries;er wurde gelb und hager im Gesicht und immer öfter kam es vor, daß er von seinem sonst stets gefüllten oder stets leeren Glase [...] die Hälfte ungetrunken stehen ließ.

PRESSE UND PROLETARIAT

Sozialdemokratische Zeitungen im Roten Wien

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