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Aktuelle Seite: „Eine Wienerin besten Schlages“
0067 | 22. MAI 2022    TEXT: LILLI BAUER & WERNER T. BAUER

„Eine Wienerin besten Schlages“

Die Bildungspolitikerin Leopoldine Glöckel, Frau des Schulreformers Otto Glöckel, ist eine der ersten weiblichen Abgeordneten im Wiener Gemeinderat, dem sie von 1919 bis 1934 angehört.

In der Schule darf es nur fleißige und faule Schüler geben, niemals aber reiche und arme, soll nicht das Kinderherz schon früh verbittert werden.

Leopoldinevon Pfaffinger wird am 12. November 1871 in Gaudenzdorf, damals noch ein Dorf mit 300 Häusern, heute Teil des 12. Bezirkes, als Tochter des Direktors der Wiener Telephon- und Telegraphen­verwaltung Josef von Pfaffinger geboren. Sie wächst in wohlgeordneten bürgerlichen Verhältnissen auf und erhält nach dem Ende der achtklassigen Volksschule Privatunterricht. Anschließend besucht sie die Lehrerinnenbildungsanstalt und ist ab 1893 in einer städtischen Schule als Handarbeits- und Berufsschullehrerin tätig.

Eine der eifrigsten Rednerinnen in diesen Versammlungen.

In der Schule wird Leopoldine mit der bürgerlichen Frauenrechtlerin Auguste Fickert bekannt und tritt dem Allgemeinen Österreichischen Frauenverein von Rosa Mayreder bei. Als ausgezeichnete Rednerin tritt Leopoldinevon Pfaffinger regelmäßig in diversen Versammlungen auf, so etwa im sozialdemokratischen Lese- und Diskutierklub Libertas.

1897 heiratet sie den Lehrer und sozialdemokratischen Bildungsreformer Otto Glöckel. Als dieser noch im selben Jahr auf Betreiben Karl Luegers wegen seiner politischen Tätigkeit aus dem Schuldienst entfernt wird, wird auch sie strafversetzt. Es ging soweit, schreibt sie später, daß wir, die wir dem Sozialismus treu geblieben waren, nicht nur von den Behörden verfolgt, sondern auch von den Kollegen gemieden und vernadert wurden.

Doch die Hartnäckigkeit zahlt sich aus: Es vergeht keine Versammlung, in der ich rede, ohne daß eine meiner ehemaligen Schülerinnen zu mir kommt und sich dankbar der Schulzeit erinnert, die sie bei mir verbrachte. Das war und ist die beste Entschädigung für jene harte Zeit.

Ein unabhängiger Geist

Ich fordere nicht nur einen Gehalt für Mütter während und nach der Geburt des Kindes, sondern auch während der Zeit der Schwangerschaft.

Um weiterhin in der überparteilich agierenden Frauenbewegung wirken zu können, tritt Leopoldine Glöckel erst relativ spät der Sozialdemo­kratischen Arbeiterpartei bei.
1905 gründet sie gemeinsam mit Ernestine von Fürth ein Frauen­stimmrechtskomitee, das die staatsbürgerliche Gleich­berechtigung der Frauen – vorrangig natürlich das Wahlrecht – erkämpfen und deshalb zuallererst deren politische Bildung fördern möchte. Auch die Einrichtung einer Fortbildungsschule für Hausgehilfinnen, deren Leitung Glöckel selbst übernimmt, geht auf ihre Initiative zurück.

Von 1919 bis 1934 gehört Leopoldine Glöckel dem Wiener Gemeinderat, ab 1920 auch dem Landtag an. Darüber hinaus engagiert sie sich im Frauen­zentralkomitee der Partei, im Fürsorgeverein Societas und im Wiener Jugendhilfswerk. Als überzeugte Förderin des Schul­reformwerkes ihres Mannes veröffentlicht Leopoldine Glöckel zahlreiche Aufsätze zu diesem Thema und ist auch als Autorin für die Arbeiterinnen-Zeitung und deren Nachfolgeblatt Die Frau tätig.

Die Regierung verhaftet eine 62jährige…

Im Februar 1934 werden Leopoldine und Otto Glöckel verhaftet. Leopoldine Glöckel kommt nach wenigen Wochen wieder frei. Otto Glöckel, der trotz seines angegriffenen Gesund­heitszustandes ins Anhaltelager Wöllersdorf verbracht wird, entlässt man erst kurz vor Weihnachten. Er stirbt am 23. Juli 1935. Knapp zwei Jahre später, am 22. Mai 1937, folgt Leopoldine Glöckel ihrem Mann nach.

Zu ihrer Einäscherung im Krematorium erscheinen – trotz der Repressionen des austro­faschistischen Ständestaates – zweitausend Menschen. Die Trauerrede hält, wie die in Pariser Exil erscheinende Arbeiter-Zeitung am 9. Juni 1937 berichtet, der frühere Bürgermeister Karl Seitz: Für Menschen wie sie gibt es keinen Niedergang. – Sie wissen: wir werden siegen, weil wir siegen müssen. Ihre Urne wird auf dem Meidlinger Friedhof beigesetzt.

1949 wird die in den Jahren 1931/32 nach Plänen von Josef Frank errichtete Wohnhausanlage der Gemeinde Wien am Gaudenzdorfer Gürtel 11 Leopoldine-Glöckel-Hof benannt. Seit 2006 gibt es in Meidling auch den Leopoldine-Glöckel-Weg. 

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