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Aktuelle Seite: Licht in der Wohnung – Sonne im Herzen
0002 | 10. Januar 2021    Text: Lilli Bauer & Werner T. Bauer

Licht in der Wohnung – Sonne im Herzen

Im Januar 1931 wird der Franz-Domes-Hof feierlich benannt. Sein Architekt Peter Behrens ist einer der schillerndsten Vertreter modernen Bauens und ein Industriedesigner von Rang.

Unter den etwa 200 Architekten – davon nur zwei Architektinnen – des Roten Wien der Ersten Republik ist er zweifelsohne einer der bedeutendsten. Der 1868 in Hamburg geborene Peter Behrens studiert Malerei, wird als Gründungsmitglied der Münchner Sezession einer der wichtigsten Vertreter des deutschen Jugendstils und wendet sich ab 1897 zunehmend der Grafik und dem Design zu. 1899 wird Behrens an die „Künstlerkolonie“ in Darmstadt berufen, wo er sein eigenes Wohnhaus entwirft. Als Architekt ist Behrens ein Autodidakt, und was für einer!

Behrens entwirft private Wohnhäuser, dann auch erste öffentliche Gebäude, wie das 1906 errichtete Krematorium in Hagen (NRW), einen der markantesten Bauten der frühen Moderne in Deutschland.

Die Industrie ist kein geringerer Machtfaktor unserer Zeit, als es die Kirche, die Zünfte, die Könige und Großen waren und sind.

1907 ist Behrens Mitbegründer des Deutschen Werkbunds und wird in den künstlerischen Beirat der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft (AEG) berufen. Für die AEG errichtet er viel beachtete Industriebauten und Arbeiterwohn­siedlungen, vor allem aber schafft er mit seinen Designs für sämtliche AEG-Produkte – vom Aschenbecher über den Toaster bis zum Ventilator – erstmals so etwas wie die Corporate Identity für eine Firma.

Behrens kommt nach Wien

Im Jahr 1921 folgt Peter Behrens einer Berufung nach Wien, wo er den von vielen ungeliebten Otto-Wagner-Nachfolger Leopold Bauer auf dem Lehrstuhl für Architektur an der Akademie der bildenden Künste ablöst. Behrens, der auch ein Angebot der Akademie in Düsseldorf erhalten hat, entscheidet sich „instinktiv“ für Wien, da das Bild der Stadt und der Menschen in ihr von graziöser Anmut sind und stets etwas Feiertägliches an sich tragen, gegenüber dem werktäglichen, pflichterfüllten Gebaren des nördlichen Landes, wie er 1932 in einem Interview erzählt.

Als Lehrer bildet Behrens bedeutende österreichische Architekten wie Ernst Plischke, Anton Brenner oder Alexander Popp aus. Mit Popp entwirft er 1929 auch das Aufsehen erregende Fabriksgebäude für die Austria Tabakwerke in Linz. 1932 schreibt Behrens: Wir leben im Zeitalter des Verkehrs. Die Eile, durch die wir im täglichen Leben getrieben werden, nimmt uns die Muße, irgendwelche Einzelheiten der Architektur wahrzunehmen. Wir verlangen darum eine Architektur, die möglichst geschlossene ruhige Flächen zeigt, die durch ihre Bündigkeit auch dem Auge keine Hindernisse entgegenstellt.

 

Die Ringstraße des Proletariats

Für die Gemeinde Wien ist er an drei kommunalen Wohnbau­projekten beteiligt: 1924/25 errichtet er eine Wohnhausanlage in der Konstanziagasse in der Donaustadt, zeitgleich ist er an der Errichtung des Winarskyhofes beteiligt.

Am Margaretengürtel im 5. Bezirk entwirft Behrens 1928 einen modernen, breit gelagerten Bau, dessen Blöcke durch lange Loggien- bzw. Balkongruppen und verglaste Stiegenhaustürme horizontal und vertikal gegliedert werden.

Der 1930 fertiggestellte Hof wird im Juni desselben Jahrs feierlich eröffnet. In seiner Rede spricht Bürgermeister Karl Seitz von einer „Ringstraße des Volkes“: Hier ist eine Ringstraße des Volkes entstanden, des Volkes, das wir emporführen wollen zum Verständnis und zum Genuß des Schönen. […] Wien muß neu aufgebaut werden. Ein Symbol dieses Aufbaues sind diese Wohnhausbauten.

Zum Zeitpunkt seiner Eröffnung enthält der Hof mehrere Geschäftslokale – darunter eines der Konsumgenossenschaft – und einen großen Kindergarten. Im Jahr darauf wird das Gebäude nach dem erst kürzlich verstorbenen ersten Präsidenten der Arbeiterkammer, Franz Domes (1863–1930) benannt. Domes hatte wesentlichen Anteil an der auch international beachteten österreichischen Sozialgesetz­gebung nach dem Ersten Weltkrieg und lebte zuletzt ganz in der Nähe, im Metzleinstaler Hof.

Anlässlich der Benennung des Franz-Domes-Hofes schreibt die Arbeiter-Zeitung am 11. Januar 1931: Man kann sich kaum ein schöneres Denkmal für Franz Domes vorstellen: Zeit seines Lebens hat er um mehr Licht und mehr Sonne für seine Klassengenossen gekämpft, denn er kannte das Elend der Proletarierwohnungen aus eigenem Erleben, er selbst war ja draußen in der Vorstadt in einer licht- und luftlosen Proletarierwohnung zur Welt gekommen…

1952 wird beim rechten Hofeingang die Plastik „Der Lichtbringer“ von Mario Petrucci angebracht. Das Kunstwerk trägt die Inschrift Licht in der Wohnung – Sonne im Herzen.

Der Franz-Domes-Hof ist Teil der sogenannten Ringstraße des Proletariats, die auch regelmäßig im Rahmen von Stadtspaziergängen des Waschsalons Karl-Marx-Hof besichtigt wird. Die XXL-Tour, bei der wir auch am Domes-Hof vorbeikommen, kann für Gruppen jederzeit gebucht werden.

DIE RINGSTRASSE DES PROLETARIATS

Stadtspaziergänge können Sie hier buchen

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