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0053 | 8. JANUAR 2022    TEXT: LILLI BAUER & WERNER T. BAUER

„Schönheit für alle“

Am 8. Januar 1967 stirbt der Architekt Josef Frank in seiner zweiten Heimat Schweden.

Der 1885 in Baden bei Wien geborene Frank studiert Architektur an der Technischen Hochschule bei Karl König, einem der führenden Vertreter des Wiener Späthistorismus, der, im Gegensatz zu Otto Wagner, als Konservativer gilt.

Dennoch gehören mit Clemens Holzmeister, Richard Neutra, Oskar Strnad oder Oskar Wlach einige der bekanntesten österreichischen Architekten der frühen Moderne zu Königs Schülern. Für Josef Frank ist seine Ausbildung bei Karl König prägend. Er bleibt Zeit seines Lebens ein Bewunderer und Anhänger der klassischen Tradition, die stets das Fundament seiner Arbeiten darstellt, sei es bei seinen Wohnbauten oder Möbelentwürfen.

Im Jahr 1913 geht Frank eine Arbeitsgemeinschaft mit Oskar Wlach ein, der seinerseits bereits mit Oskar Strnad zusammen­arbeitet; gemeinsam realisieren die drei Architekten einige Villenbauten in Wien.

Möge dies der letzte Volkswohnungspalast sein, der in Wien erbaut wird!

Von 1919 bis 1925 ist Frank als Lehrer für Baukonstruktion an der Wiener Kunstgewerbeschule, der heutigen Universität für angewandte Kunst, tätig und beschäftigt sich früh mit den sozialen Aufgaben der Architektur. Allerdings zählt Frank zu den Verfechtern der Siedlungs- bzw. Gartenstadtbewegung, die dem Konzept des „Superblocks“, dem die meisten kommunalen Wohnbauten des Roten Wien folgen, diametral entgegensteht.

Einheitlich gestaltete Reihenhäuser, die der Gleichrangigkeit der Bewohner entsprechen, sollen sich um ein Zentrum mit Gemeinschafts­einrichtungen gruppieren, Flachdächer als Terrassen zur Verfügung stehen. Realisieren kann er diese Vorstellungen nur selten, so etwa 1919 in der Arbeiterkolonie Ortmann im niederösterreichischen Waidmannsfeld im Bezirk Wiener Neustadt.

Frank, der Spötter

Anlässlich der Grundsteinlegung der Gartenstadt Jedlesee, dem heutigen Karl-Seitz-Hof, polemisiert Frank in seinem Aufsatz „Der Volkswohnungspalast. Eine Rede anläßlich der Grundsteinlegung, die nicht gehalten wurde“ in der Zeitschrift Der Aufbau gegen die von Hubert Gessner und anderen Otto-Wagner-Schülern vertretene Linie repräsentativer kommunaler Großbauten: [...] hinter diesem Wort [Volkswohnungspalast, Anm.] sehen wir auf einmal wieder eine ganze Gesinnung auftauchen, die des gesinnungslos gewordenen Kleinbürgertums. Eine Gesinnung, die vom Stützpunkt des Palastes ausgehend, ihren ganzen Drang nach Repräsentation auf Kosten der Wohnkultur auf unsere Zeit gerettet hat. […] Es fehlen nur die Spiegel an den Wänden – sonst wäre es wie in Versailles.

Obwohl Frank die mehrgeschossige Blockverbauung des Wiener kommunalen Wohnbauprogramms ablehnt, plant und errichtet er mehrere Wohnbauten für das Rote Wien, so zum Beispiel 1924/25 den Wiedenhoferhof in Hernals, der wegen seines Flachdaches und der ursprünglich kräftigen ziegelroten Färbelung im Volksmund „Paprikakiste“ genannt wird, oder 1931/32 den späteren Leopoldine-Glöckel-Hof, bei dem die einzelnen Stiegenhäuser durch ein subtiles Farbkonzept in zarten Pastellfarben mit abwechselnd dunklen und hellen Fensterumrahmungen individuell betont werden, wodurch der Hof eine fröhliche Leichtigkeit erhält. Auch hier hat der Volksmund bald mehrere Namen parat: „Aquarellhof“, „Regenbogenhof“ oder „Farbenkastl-Hof“.

Große Architekten für kleine Häuser

1927 wird Frank zur Errichtung eines Doppelhauses in der Stuttgarter Weißenhofsiedlung eingeladen. Als Gründungsmitglied des „Österreichischen Werkbundes“ ist er 1932 in führender Position am Entstehen der von der städtischen Siedlungsgesellschaft Gesiba errichteten Wiener Werkbund­siedlung beteiligt. Die Werkbund­siedlung ist eigentlich als Mustersiedlung gedacht, die ganz unterschiedlich gestalteten Häuser werden von bedeutenden in- und ausländischen Architekten geplant und bilden bis heute ein Manifest der modernen Architektur der frühen 1930er Jahre.

Für den Gummischuhsohlen-Fabrikanten Julius Beer entwirft Frank, gemeinsam mit Oskar Wlach, in dieser Zeit auch die Villa Beer in der Hietzinger Wenzgasse, die als idealtypische Verwirklichung seiner architektonischen Vorstellungen gilt und heute eine der Ikonen der frühen Moderne darstellt.

Man kann alles verwenden, was man verwenden kann.

Kennzeichnend für Josef Frank ist, dass er undogmatisch zu pragmatischen Lösungen gelangt, die v.a. den Bedürfnissen der Bewohner Rechnung tragen sollen. Frank vertritt eine moderne Individualität, die das bereits Vorhandene berücksichtigt und zu integrieren trachtet, eine „unpathetische Einfachheit“, die ohne größere Ansprüche auf Repräsentation und forcierte Innovation auskommt.

Die Wohnung ist kein Kunstwerk, deshalb hat sie nicht die Verpflichtung, aufregend zu sein.

Deutlich zeigt sich dies auch an seiner Mitwirkung in der 1929 im Karl-Marx-Hof eingerichteten „Beratungsstelle für Inneneinrichtung und Wohnungshygiene“, für die Frank Möbel entwirft, die die Ästhetik moderner Einrichtungshäuser um Jahrzehnte vorwegnehmen.

Das zunehmend antisemitische Klima in Österreich veranlasst Frank 1933/34 zur Emigration nach Schweden, in die Heimat seiner Frau, wo er für die bis heute renommierte Stockholmer Firma „Svenskt Tenn“ (Schwedisches Zinn) Möbel, Stoffe und andere Einrichtungsgegenstände entwirft. Seine Arbeiten üben zweifellos großen Einfluss auf den schwedischen Wohnstil und das skandinavische Design aus.

1939 folgt Frank einer Einladung der New School for Social Research in New York, wo er Vorlesungen über Architektur, Planung und Design hält. Nach Kriegsende bleibt Josef Frank, trotz der intensiven Überredungsversuche von Bürgermeister Theodor Körner, in Schweden, besuchte seine alte Heimat jedoch regelmäßig.

1965 erhält Josef Frank den Österreichischen Staatspreis für Architektur.
1991 wird die Josef-Frank-Gasse in Wien Donaustadt nach dem Architekten benannt.
Literatur
Iris Meder (Hrsg.): Josef Frank 1885–1967 – eine Moderne der Unordnung, 2008.

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