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Aktuelle Seite: Die Arbeiterin in neuem Gewand
0144 | 1. MÄRZ 2024    TEXT: LILLI BAUER & WERNER T. BAUER

Die Arbeiterin in neuem Gewand


Am 1. März 1924 erscheint die 1892gegründete Arbeiterinnen-Zeitungerstmals unter neuem Titel. Die „Sozialdemokratische Monatsschrift für Politik, Wirtschaft, Frauenfragen und Literatur“ – so der Untertitel ab 1929 – heißt nun Die Frau.

Begründet wird dieser Schritt mit dem Ziel, künftig neue Zielgruppen ansprechen zu wollen. Im Editorial der ersten Ausgabe heißt es: Die politische Organisation beschränkt sich nicht auf Arbeiterinnen im engeren Sinne. Viele Frauen geistiger Berufe gehören zu uns. [Die Frau] soll die Interessen und Rechte der Arbeiterinnen, der Angestellten, der Beamtinnen wahren und soll den Fragen des häuslichen Lebens und den kulturellen Bedürfnissen der Frauen dienen.

Unermüdliche Kritikerin

Herausgeberin ist auch hier Adelheid Popp, die Auflage liegt anfangs bei 140.000 Stück. Besonders breiten Raum nimmt in der Frau der Themenkomplex „Mutterschaft“ ein. Fragen wie Geburtenkontrolle, Abtreibung, Säuglingssterblichkeit, Kinderfürsorge oder Ehegesetze werden regelmäßig zur propagandistischen Agitation gegen die Konservativen – die immer noch von einer Mehrheit der Frauen gewählt werden – genutzt. Immer wieder berichtet das Blatt auch von Tragödien wie Kindstötungen aus Verzweiflung und polemisiert gegen die Doppelmoral der bürgerlichen Frauen und der „christlichen Engelmacherinnen“.

Auch die Auslandsbericht­erstattung wird in den Dienst der Sache gestellt, etwa wenn über die Gesetzgebung in der zwar konservativen, im Vergleich mit Österreich dennoch liberaleren Schweiz oder über Frauenschicksale in den USA berichtet wird. „Die Frau“ argumentiert dabei wesentlich schärfer als die Arbeiter-Zeitung, selbst dann, wenn es sich bei der Verfasserin der Artikel um ein und dieselbe Person handelt.

Nicht Fisch, nicht Fleisch

Alles in allem ist Die Frau dennoch ein seltsames „Zwitterwesen“. Einerseits richten sich ihre Artikel an bereits politisierte Genossinnen, andererseits werden die Seiten auch mit Haushaltstipps und – oft ziemlich seichten – Literaturbeilagen gefüllt. Mit der Zeitschrift wird auch die Beilage „Freie Stunden“ in Umlauf gebracht, die Fragen der „Geistes-, Körper- und Wohnkultur“ thematisiert. 1930 beträgt die Auflage beachtliche 226.500 Stück, wovon zwei Drittel in Wien vertrieben werden.

Die letzte Ausgabe der Frau erscheint im Februar 1934. Anlässlich des Selbstmordes einer sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten verfasst Marianne Pollak einen Artikel über „Eine Deutsche Frau“ und schließt mit dem Satz: Aber ihre Zeit wird kommen und dann wird auch Toni Pfülf auferstehen, jene deutsche Frau, die lieber die Schwelle des Schattenreiches überschritt, als im Dritten Reich zu leben. Nach dem Verbot der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei im Februar 1934 erschien die Zeitschrift nicht mehr.

Neubeginn und Ende

Im November 1945 wird Die Frau durch den persönlichen Einsatz einiger Genossinnen – an deren Spitze Ferdinanda Flossmann und Helene Potetz stehen – wiederbegründet und erscheint nunmehr wöchentlich. Chefredakteurinnen sind Gabriele Proft (1945–1953), Marianne Pollak (1953–1961), Bettina Hirsch (1962–1967), Anneliese Albrecht (1967–1979), Susanne Feigl (1980–1984) und Doris Stoisser (1985–1987).

Anfangs ist die Zeitschrift noch sehr ideologisch ausgerichtet und dient besonders vor Wahlgängen als Propagandainstrument der Partei. Obwohl Literatur in der Frau keine besondere Rolle spielt und sich meist auf triviale Fortsetzungsromane beschränkt, bietet die Zeitschrift in den 1960er Jahren fallweise auch jungen Autoren und Autorinnen, wie Vera Ferra oder Marlen Haushofer, eine Plattform.

In den 1980er Jahren – das Periodikum wird 1984 in Neue Frau umbenannt – rücken Gesellschaftskritik und feministische Positionen in den Vordergrund. Dennoch wird die Zeitschrift, ungeachtet einiger Proteste, 1987 eingestellt. Die letzte Ausgabe erscheint am 28. April. Schade eigentlich.

„KAUFET UND LESET ...“

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